Schäuble sieht kaum Spielräume für Steuersenkungen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht für Steuersenkungen weder größere Spielräume noch eine zwingende Notwendigkeit. Er sei "etwas unglücklich" über die öffentliche Debatte, die den Eindruck erweckt habe, "wir hätten große Spielräume für Steuersenkungen".
Berlin - "Die haben wir nicht, auch weil wir in der Koalition verabredet haben, dass die Haushaltskonsolidierung Vorrang hat", sagte er der "Bild am Sonntag". Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) lehnt eine voreilige Steuerentlastung ab.
Schwarz-Gelb will die Steuerentlastung noch in dieser Wahlperiode durchziehen - gegen den Willen auch von CDU-Ministerpräsidenten. Eine Entlastung schon zum Januar 2012 soll es aber nicht geben.
Schäuble hält Steuersenkungen mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro für unrealistisch. Zu entsprechenden Ankündigungen von Koalitionspolitikern sagte er: "Ich rate uns allen, keine Debatten zu führen, die große Erwartungen wecken und hinterher zu großen Enttäuschungen führen." Er sehe auch keine zwingende Notwendigkeit für Steuersenkungen: "Die Steuerbelastung in Deutschland liegt unter dem Durchschnitt der anderen Industriestaaten, und die Herausforderungen, die auf uns und die Haushalte warten, sind groß."
Der Finanzminister wies darauf hin, dass man von dem Ziel, die Neuverschuldung des Bundeshaushalts bis 2016 auf 0,35 Prozent zu begrenzen, "noch weit entfernt" sei. Und er erinnerte an zusätzliche Belastungen, die auf den Bundeshaushalt zukämen. "Vor uns stehen enorme Aufgaben: Die Energiewende wird zu Mehrausgaben führen, für den europäischen Stabilitätsmechanismus müssen wir ab 2013 Leistungen bereitstellen."
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer bekräftigte die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Koalition. "Es wird weitere Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode geben, aber in Einklang mit der Wirtschaftslage und ohne die Haushaltskonsolidierung zu gefährden", versicherte der bayerische Ministerpräsident im Magazin "Focus".
CDU-Haushaltsexperte Georg Schirmbeck sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Sollte die Regierung solche Steuerpläne in den Bundestag einbringen, wird sie keine Mehrheit für diesen Unsinn finden." Der Haushalt sei dieses Jahr mit 80 Milliarden Euro Neuverschuldung beschlossen worden. "Wenn wir dank der guten Konjunktur diesen Fehlbetrag halbieren können, bleiben aber immer noch 40 Milliarden Euro neue Schulden übrig."
Länder und Kommunen warnen weiter vor drastischen Ausfällen durch die geplanten Steuererleichterungen. Insbesondere die Sozialausgaben, die sich in diesem Jahr auf über 42 Milliarden Euro beliefen, belasteten die Städte und Gemeinden ohnehin enorm, sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinpfalz am Sonntag". Den Bürgern seien ein familienfreundlicheres Umfeld und bessere Straßen wichtiger als eine geringfügige Steuerentlastung.
Eine Entlastung bei der Einkommensteuer um zehn Milliarden Euro würde allein in Rheinland-Pfalz Ausfälle von geschätzt 220 Millionen Euro verursachen, sagte Finanzminister Carsten Kühl (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Kühl machte deutlich, dass infolge einer Steuersenkung Sparmaßnahmen etwa bei Bildung oder Sicherheit nötig würden: "Das Land müsste also öffentliche Leistungen kürzen, zum Beispiel bei den Lehrern oder bei der Polizei."
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag), wenn es finanzielle Spielräume des Staates gebe, müsse dieses Geld in erster Linie für den Umbau der Energieversorgung genutzt werden.
Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) sagte im Gespräch mit der dpa, Steuersenkungen müssten durch den Bundesrat. "Ich sehe dort keine Mehrheit dafür."
FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler forderte indes die SPD auf, Steuersenkungen in der Länderkammer nicht zu blockieren. "Die Sozialdemokraten müssen Farbe bekennen im Bundesrat, ob sie von der Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen nur reden oder ob sie tatsächlich dazu bereits sind", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".