Sarkozy stärkt die EU - und Frankreich

Sein Vermittlungserfolg zwischen Syrien und dem Libanon hat den französischern Präsidenten selbstbewusst gemacht. Der verzichtete in einer Erklärung kurzerhand auf die englische Übersetzung. Dennoch lief beim Gipfel in Paris nicht alles rund.
von  Abendzeitung
Sarkozy gefällt sich in seiner neuen Rolle
Sarkozy gefällt sich in seiner neuen Rolle © AP

Sein Vermittlungserfolg zwischen Syrien und dem Libanon hat den französischern Präsidenten selbstbewusst gemacht. Der verzichtete in einer Erklärung kurzerhand auf die englische Übersetzung. Dennoch lief beim Gipfel in Paris nicht alles rund.

Mit der Vermittlung eines «historischen» Durchbruchs in den libanesisch-syrischen Beziehungen hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Europäer als wichtigen Akteur auf die politische Bühne des Nahen Ostens zurückgebracht. Erstmals in ihrer Geschichte wollen beide Staaten diplomatische Beziehungen aufnehmen. Der syrische Präsident Baschar al-Assad und sein libanesischer Amtskollege Michel Suleiman überließen es Sarkozy, der Welt die frohe Botschaft zu überbringen. Der nutzte seinen Triumph, um für eine französische Vermittlerrolle im Nahen Osten zu werben.

Von Europa sprach Sarkozy dabei eher beiläufig. Ihm werde vorgehalten, mit der Mittelmeerunion und seinen Initiativen Risiken einzugehen, sagte Sarkozy. Man könne Frieden aber nur schaffen, wenn man die Streitenden an einen Tisch hole. Er bot Frankreichs Militärmacht zur Sicherung der Friedensprozesse an. Assad erklärte, Europa könne neben den USA eine «komplementäre Rolle» für den Nahost-Frieden spielen - und versprach, sich mit Sarkozy abzustimmen. Außerdem erklärte der Syrer seinen Wunsch, Paris solle bei künftigen Friedensgesprächen eine «Vermittlerrolle» erhalten. Genau da will der französische Präsident hin.

Neues Pariser Selbstbewusstsein ohne Englisch

Sarkozy nutzte den Gründungsgipfel der Mittelmeerunion zu einer Serie von Gesprächen mit Staats- und Regierungschefs im Nahen Osten. Er führte auch den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert und den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zusammen. Einen entscheidenden Schritt nach vorn erreichte er aber nur im Gespräch mit Assad und Suleiman. Ein Symbol: Frankreich war nach der Auflösung des Osmanischen Reiches Mandatsmacht für den Libanon und Syrien. Jetzt spielt Paris hier wieder eine Rolle. Der Weltpresse zeigte Sarkozy das neue Pariser Selbstbewusstsein, in dem er seine Erklärungen nur auf Arabisch und Hebräisch übersetzen ließ, aber nicht auf Englisch. Die Mittelmeerunion bot Sarkozy einen Rahmen für seine Initiative. Assad wollte den Gipfel für eine Rückkehr auf die internationale Bühne nutzen. Er war damit gezwungen, vorher seine Manöver gegen die Bildung einer libanesischen Regierung aufzugeben. Kurz vor seinem Abflug nach Paris konnte Suleiman die Einigung auf eine Regierung verkünden. Der Weg für den großen Händedruck in Paris war frei. Bis die Beziehungen zwischen Beirut und Damaskus «normal» sind, kann es aber noch dauern. Sarkozy warnte, der Botschafteraustausch könne wegen «juristischer Probleme» noch auf sich wartenlassen.

Diplomatischen Einfluss nicht ohne Militär

Im Élyséepalast glaubt man an eine historische Chance für eine Rückkehr als diplomatische Großmacht in der arabischen Welt und im Nahen Osten. Die USA hätten wegen des Irak-Kriegs in der arabischen Welt stark an Einfluss verloren, sagen Sarkozys Berater. Außerdem sei Washington in der Endzeit von Präsident George W. Bush diplomatisch geschwächt. Bis der neue US-Präsident sich 2009 im Weißen Haus eingerichtet habe, bestehe ein Zeitfenster für die Europäer. Dazu komme die Schützenhilfe des Emirs von Katar mit seiner Vermittlung der Libanon-Lösung. Diplomatischen Einfluss habe man auf Dauer aber nur, wenn man militärisch ernst genommen werde. In Paris wird spekuliert, Sarkozy sei zur Entsendung von Truppen auf die von Israel besetzten syrischen Golanhöhen bereit. Das könnten auch EU-Truppen mit einem französischen Kern sein. Wer den Golan beherrscht, beherrscht auch das Vorland in Syrien und Israel. Deshalb würden die israelischen Streitkräfte das Gebiet nur ungern aufgeben. Sarkozy finde bei Arabern und Israelis gleichermaßen als Freund Gehör, meint man in Paris. Allerdings gab Olmert mit keinem Wort zu verstehen, dass er Sarkozy bei solchen Gedankengängen folgen würde.

Trotzdem Wasser im Wein

Und auch Assad goss Wasser in Sarkozys Wein: Ein direktes Gespräch mit Olmert in Paris lehnte er ab - ob mit oder ohne Sarkozy. Zudem will Assad die US-Wahlen abwarten, bevor es mit einer neuen Nahost-Initiative vorangeht. Ohne Israels Schutzmacht Washington geht im Nahen Osten weiterhin nichts. Und die Rolle der Europäer bleibt auch für Assad «komplementär». Sarkozy-Kritiker in Paris befürchten daher, der französische Präsident könne den Syrer für schöne Worte statt großer Gegenleistung aus der politischen Quarantäne geholt haben. Doch Paris hat Damaskus noch mehr zu bieten: die Assoziierung mit der EU. Das Abkommen ist fertig, liegt aber auf Eis. Mit der Mittelmeerunion könne man Syrien an Europa binden und aus dem «widernatürlichen Bündnis» mit dem Iran lösen, heißt es. Wenn Assad sich auf Europakurs begibt und von Teheran entfernt, besteht nach dieser Lesart für ihn auch kein Grund mehr, die pro-iranischen Hisbollah-Milizen im Libanon zu unterstützen. Das würde Spielraum schaffen für eine Friedensdynamik im Nahen Osten - mit europäischem Einfluss. (Hans-Hermann Nikolei, dpa)

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