Russland wartet auf Freilassung von Chodorkowski
Nach dem überraschenden Gnadenerlass von Präsident Wladimir Putin hat Russland mit Spannung auf die Freilassung des Kremlkritikers Michail Chodorkowski gewartet. Es ist unklar, wann der frühere Öl-Milliardär das Straflager nahe der Grenze zu Finnland verlassen kann.
Moskau - Der 50-Jährige will nach Angaben seines Pressedienstes zunächst mit seinen Anwälten die von Putin angekündigte Begnadigung beraten. Der scharfe Gegner des Präsidenten sitzt seit mehr als zehn Jahren in Haft. Auch die Freilassung von zwei Mitgliedern der Putin-kritischen Punkband Pussy Riot im Zuge einer Massenamnestie wurde jederzeit erwartet.
In Deutschland stieß die völlig unerwartete Ankündigung einer Amnestie für Chodorkowski auf Zustimmung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstagabend am Rande des EU-Gipfels in Brüssel: "Ich habe mich sehr oft dafür eingesetzt, dass Herr Chodorkowski freigelassen werden kann, und deshalb freue ich mich natürlich, wenn das morgen passieren sollte." Es werde aber sicherlich weitere Diskussionen über andere Punkte geben, in denen es Meinungsunterschiede mit Moskau gibt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte bei einem Polen-Besuch: "Die Begnadigung ist eine gute Sache. Wir wünschen uns, dass Chodorkowski bald auf freien Fuß kommt."
Der sensationelle Schritt gilt auch als Zugeständnis des Kreml an den Westen vor den ersten Olympischen Winterspielen in Russland, die am 7. Februar im Schwarzmeerort Sotschi eröffnet werden.
Westliche Politiker sowie Menschenrechtler hatten immer wieder Freiheit für politische Gefangene in Russland gefordert. Zudem sah sich Russland in jüngster Zeit wegen der Menschenrechtslage verstärkt mit Aufrufen zu einem Olympia-Boykott konfrontiert.
Putin kündigte den Straferlass nach einer mehr als vierstündigen Pressekonferenz in Moskau an. Chodorkowski war Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos und der einst reichste Mann Russlands. Erst vor kurzem hatte die russische Justiz weitere Verfahren gegen ihn angekündigt. Chodorkowski war in zwei international als politisch motiviert kritisierten Verfahren unter anderem wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Putin sagte nun, er sehe keine Perspektive für ein weiteres Vorgehen. Die Begnadigung begründete der Präsident indirekt damit, dass Chodorkowskis Mutter krank sei.
Unklar war auch, wann die wegen Rowdytums verurteilten Mitglieder von Pussy Riot freikommen. Die Verwandten von Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljcohina (25) reisten zu den Straflagern. Sie profitieren als junge Mütter von einer von Putin veranlassten Massenamnestie für insgesamt 25 000 Menschen. Auch die wegen Rowdytums angeklagten 30 Umweltschützer der Organisation Greenpeace fallen unter den Gnadenakt.