Russland dreht den Gashahn ab
Moskau Der letzte Anlauf für einen Kompromiss ist – vorerst – gescheitert: Moskau hat nun die Gaslieferungen an die Ukraine gestoppt. Zwar fließt das für Westeuropa bestimmte Gas weiter durch die Transitleitungen, doch Gazprom warnt schon, es könnte sein, dass die Lieferungen nicht vollständig ankommen.
Am Montagfrüh um acht Uhr lief das letzte Ultimatum aus. Wenn Kiew nicht bis dann eine erste Rate seiner Schulden bezahlt habe, werde man den Gashahn abdrehen, hatte der russische Staatskonzern Gazprom gedroht: Man habe die Frist jetzt dreimal verlängert und keine Lust mehr. EU-Energiekommissar Günter Oettinger, der bis tief in die Nacht verhandelt hatte, sagte, die ukrainische Seite wäre zu einem Kompromiss bereit gewesen, die russische nicht. Kiew hatte während der Amtszeit des prorussischen Präsidenten Janukowitsch 268 Dollar pro 1000 Kubikmeter gezahlt, danach setzte der russische Konzern 485 Dollar als neuen Preis fest. Die EU hatte als Kompromiss 385 Dollar im Winter (das ist der Preis, der auch von Deutschland verlangt wird) und 300 im Sommer vorgeschlagen.
Als um 8 Uhr kein Geld kam, folgte die Konsequenz: Gazprom stellte die Lieferungen für die Ukraine ab, dies wurde von Moskau und Kiew bestätigt. Bei früheren ähnlichen Fällen 2005 und 2009 war es dann so, dass binnen Stunden auch in Westeuropa deutlich weniger Gas ankam. Experten beruhigen aber, dass das vorerst nicht zum Problem für Deutschland wird. Die hiesigen Gasspeicher sind zu 75 Prozent gefüllt, das wird für mehrere Monate reichen. Entwarnung für „die nächsten Wochen“ gibt auch Oettinger. „Bei einem kalten Winter hätten wir ein Problem.“ Mittlerweile ist die EU aber besser gerüstet als bei den früheren Krisen: So seien die EU-Staaten besser vernetzt, mehr Gasleitungen erlauben den Fluss in beide Richtungen, so dass man sich besser gegenseitig aushelfen könne. Und: Bis 2012 flossen 80 Prozent des westeuropäischen Gases über die Ukraine, heute sind es – seit Fertigstellung der Nordstream-Pipeline – noch 50.
Absehbar ist die Neuauflage des Konflikts, warum das Gas für Westeuropa fehlt. Früher hat Gazprom der Ukraine vorgeworfen, sich am Transit-Gas zu bedienen; Kiew hatte gekontert, dass Gazprom trickse, um eben diesen Eindruck zu erwecken. Nun kommt noch hinzu, dass die Pipelines auch durch das von prorussischen Separatisten besetzte Gebiet in der Ostukraine laufen: Es ist kaum nachvollziehbar, ob Gas schon dort abgezweigt wird – womöglich absichtlich – oder erst weiter westlich in der Ukraine. Die politischen Rahmenbedingungen für eine Lösung haben sich weiter verschlechtert: Die pro-russischen Separatisten starteten gestern im Osten eine neue Offensive. Und Moskau sagte, man wolle mit dem ukrainischen Außenminister Andrej Deschtschiza erstmal nichts zu tun haben, weil der Putin einen „Scheißkerl“ genannt hatte.