«Russische Aggression» oder normale Reaktion

Wie soll man sich im Kaukasus-Konflikt verhalten? Die europäischen Außenminister trafen sich zu einer Krisensitzung, bei der ein Riss deutlich wurde. Sollen Beobachter oder Friedenstruppen nach Georgien geschickt werden?
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Kouchner (M.) konnte eine vorläufige Einigung der EU-Außenminister erwirken
AP Kouchner (M.) konnte eine vorläufige Einigung der EU-Außenminister erwirken

Wie soll man sich im Kaukasus-Konflikt verhalten? Die europäischen Außenminister trafen sich zu einer Krisensitzung, bei der ein Riss deutlich wurde. Sollen Beobachter oder Friedenstruppen nach Georgien geschickt werden?

Den Ministern fehlten die richtigen Worte. EU-Friedenssoldaten in Südossetien? Oder vielleicht doch nur «zivile Krisenmanager»? Finnlands Außenminister Alexander Stubbs war sich nicht sicher. Sein litauischer Kollege Petras Vaitiekunas schon: «Die muss kommen», sagte er klar und deutlich zur EU-Friedenstruppe.

«So würde ich das nicht nennen», beschied der Franzose Bernard Kouchner hingegen: «Kontrolleure, Beobachter, Vermittler - ja, ja, ja!» Von «Hilfe bei der Stabilisierungsarbeit» auf dem Kaukasus sprach der Deutsche Frank-Walter Steinmeier, von «Rollen» für die EU, über die man jetzt aber noch nicht entscheiden könne. Radoslaw Sikorski aus Polen kündigte an, Polen werde sich an einer EU-Friedenstruppe beteiligen. Einen Tag nach Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen Georgien und Russland taten sich die Außenminister der 27 EU-Staaten bei einer Krisensitzung am Mittwoch in Brüssel schwer, eine gemeinsame Sprache zu finden. Schließlich einigte man sich, erst einmal Beobachter nach Georgien und Südossetien zu schicken - und später möglicherweise auch Friedenstruppen, sofern Russland das nicht im UN-Sicherheitsrat blockiere.

«Irgendwelche Konsequenzen» für Russland

Moskaus Strafexpedition gegen «ein kleines und fragiles europäisches Land» (so der Schwede Carl Bildt) hat in der EU den tiefen politischen Riss zwischen den neuen östlichen und alten westlichen Mitgliedstaaten deutlicher denn je gemacht. Auf der einen Seite stehen einschlägig Moskau-erfahrene Staaten wie Polen, Tschechien, Litauen, Lettland und Estland: Sie fordern, die «russische Aggression» müsse «irgendwelche Konsequenzen» (Vaitiekunas) haben, verlangen starke Worte der Verurteilung Moskaus, wollen EU-Friedenssoldaten in Georgien und Südossetien sehen. Schweden und Großbritannien zeigen sich ebenfalls hartleibig. Der britische Minister David Miliband: «Es ist nicht hinnehmbar, dass schwierige Probleme an Russlands Grenzen mit Gewalt gelöst werden.» Auf der anderen Seite stehen Länder wie Deutschland, Italien und Frankreich: Sie sind zwar über Russland besorgt, mahnen aber zur Besonnenheit. «Ich halte nichts davon, dass wir uns heute in sehr langen Diskussionen über Verantwortung und Urheberschaft der Eskalation der letzten Tage verlieren», sagte Steinmeier. Von «starken Statements mit einseitigen Verurteilungen» hält er nichts. «Wir sind keine Richter über das, was richtig oder falsch ist», formulierte Luxemburgs Jean Asselborn ganz bescheiden. Und auch Kouchner nahm das Amt des Vorsitzenden der EU-Ministerrunde auf leisen Sohlen wahr: «Ich bin kein Moralist.»

Quadratur des kaukasischen Teufelskreises

Am Tag zuvor bereits hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, derzeit EU-Ratsvorsitzender, die kunstvolle Quadratur des kaukasischen Teufelskreises fast geschafft: In Moskau verkündete er, es sei «völlig normal», dass Moskau auch außerhalb Russlands die Interessen der Russischsprachigen verteidigen wolle. In Tiflis bekannte er sich dann zur «territorialen Integrität» Georgiens. Viel Lob bekam Sarkozy für die Vereinbarung mit Moskau und Tiflis über die Einstellung der Kämpfe. Die Tatsache, dass er Verhandlungen über den Status von Südossetien vorgeschlagen hatte, der nach Ansicht des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili völlig unverhandelbar ist, wurde in Brüssel übergangen: «Die Details können wir uns später anschauen», sagte der Finne Stubb. Trotz der Erleichterung über das Schweigen der Waffen werde jedoch «noch eine sehr harte Diskussion über die künftigen EU-Russland-Beziehungen auf uns zukommen». Die einen wollen, wie Steinmeier, den Kontakt zu Russland nicht abreißen lassen und bezweifeln die Wirksamkeit von Sanktionen, andere sehen das anders. «Wir haben unterschiedliche Geschichtserfahrungen im Westen und im Osten», sagte Asselborn. «Aber wir müssen außenpolitisch zeigen, dass wir in der EU in einer Mannschaft und nicht in mehreren Mannschaften spielen.» Außenminister Stubb hat trotz seines fast jugendlichen Alters, er ist 40 Jahre alt, bereits genügend EU-Erfahrung, um das realistischer zu sehen: «Die Schuldzuweisungen und die harschen Worte kommen später.» (Dieter Ebeling, dpa)

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