Rückhalt für Wulff bröckelt
Berlin - Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte nach einer Mitteilung vom Donnerstagabend beim Bundestag die Aufhebung der Immunität beantragt, um gegen Wulff wegen Vorteilsnahme und -gewährung ermitteln zu können.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur erwarten Koalitionsabgeordnete schon für diesen Freitag eine Erklärung Wulffs. Ein Rücktritt zur Schadensbegrenzung wurde für möglich gehalten. Der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen." Unionsfraktionsvize Michael Meister ging im Berliner "Tagesspiegel" davon aus, das Wulffs Immunität aufgehoben wird. "Die Frage ist dann, ob Christian Wulff glaubt, damit umgehen zu können, das muss er aber selbst beantworten."
Auch in der Führung der FDP wird mit einem baldigen Rücktritt gerechnet. "Ich glaube, das war's", zitiert "Die Welt" (Freitag) ein Mitglied der FDP-Führung. Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident, Sozialminister Heiner Garg (FDP), sagte den "Kieler Nachrichten": "Auch aus Verantwortung gegenüber dem höchsten Amt muss Christian Wulff jetzt die Konsequenzen ziehen."
Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und weiterer Medienberichte gebe es gegen den früheren niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten nun einen Anfangsverdacht im Zusammenhang mit Kontakten zum Filmfonds-Manager David Groenewold. Auch gegen ihn wird ermittelt.
Groenewold hatte mit Wulff 2007 auf Sylt Urlaub gemacht und dabei die Hotelkosten zunächst bezahlt; Wulff will den Betrag später in bar beglichen haben. Die niedersächsische Landesregierung hatte einer Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Millionen-Bürgschaft gewährt - die aber nie in Anspruch genommen wurde.
In der SPD wird Wulffs Rücktritt nun offen und direkt gefordert, nachdem ihm dieser wochenlang nur nahegelegt worden war. Das SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagte der "Welt": "Nun sollte Christian Wulff dem Land und sich einen letzten Dienst erweisen und zurücktreten." Generalsekretärin Andrea Nahles befand: "In meinen Augen ist eine staatsanwaltliche Ermittlung mit dem Amt des Bundespräsidenten unvereinbar." Die Bundestagsfraktionschefs der Grnen, Renate Künast und Jürgen Trittin, forderten: "In dieser Situation muss der Bundespräsident mindestens sein Amt ruhen lassen - das gilt auch mit Blick auf die Gedenkfeier (für die Opfer der Neonazi-Morde) nächste Woche."
Erst wenn der Bundestag dem Aufhebungsantrag zugestimmt hat, kann die Staatsanwaltschaft tatsächlich ermitteln. Nötig ist dazu die einfache Mehrheit, wie SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann auf der Kurznachrichtenplattform Twitter im Internet mitteilte. In der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag) rechnete er mit einer Entscheidung in der übernächsten Woche, wenn der Bundestag zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammentritt. Nahles kündigte an, die SPD werde geschlossen für die Aufhebung der Immunität Wulffs stimmen. Oppermann sagte der "Passauer Neue Presse" (Freitag): "Ich erwarte das auch von der Union und der Kanzlerin."