„Rösler hat es nicht geschafft“
Der FDP-Chef enttäuscht auf Bundesparteitag und belebt damit Denkmodelle für eine neue Führungsspitze. Die fast verebbte Debatte über eine Nachfolge ist neu belebt.
Karlsruhe - Die FDP-Basis ist enttäuscht. Das
Grundsatzprogramm: Kein großer Wurf. Die Grundsatzrede von
Parteichef Philipp Rösler: keine Trendwende. Nein, einen Ruck hat
der 63. Bundesparteitag den angeschlagenen Liberalen nicht gebracht.
Doch eines hat Rösler geschafft: Die fast verebbte Debatte über eine
Nachfolge ist neu belebt.
„Das Schlimme ist: Er hat eigentlich nichts falsch gemacht. Er
hat keine schlechte Rede gehalten, er hat sogar einige neue Ideen
eingebracht. Nur überzeugt hat er nicht“, heißt es über Rösler. Der
verbreitet derweil Optimismus und freut sich über seine Erfolge. Das
erinnert fatal an die Spätphase von Guido Westerwelle, den die Basis
fast genau vor einem Jahr aus dem Amt des FDP-Vorsitzenden warf.
Rösler droht ein gleiches Schicksal. Es ist ihm nicht gelungen,
der FDP neuen Schwung zu geben. Es ist ihm nicht gelungen, die
Parteispitze zu einen. Es ist ihm nicht gelungen, die Liberalen im
politischen Spektrum unverzichtbar zu machen. So heißt es am
Wochenende aus den FDP-Landesverbänden Schleswig-Holstein und
Nordrhein-Westfalen: „Wenn wir die Landtagswahlen überstehen, dann
nicht wegen, sondern trotz Philipp Rösler.“
Drei Modelle der Ablösung
Während Rösler auf dem Karlsruher Parteitag seine
„Wachstums“-Agenda auf drei Säulen stellt, diskutieren
FDP-Mitglieder schon über drei Modelle seiner Nachfolge. Und jubeln
seinen internen Widersachern Rainer Brüderle und Christian Linder
zu. Sie treffen offenkundig den Nerv der Delegierten. Das führt in
der Partei zu Gedankenspielen:
Variante 1: Rösler tritt nach zwei gescheiterten oder knapp
geglückten Landtagswahlen im Mai noch in diesem Jahr zurück und
macht den Weg frei für eine Neuaufstellung zur Bundestagswahl im
kommenden Jahr.
Variante 2: Rösler bleibt Parteichef, wird aber die FDP nicht in
die Bundestagswahl 2013 führen. Eine Doppelspitze aus Parteichef und
Spitzenkandidat gilt als denkbare Möglichkeit.
Variante 3: Rösler kündigt an, beim kommenden Parteitag im Mai
2013 nicht mehr als Parteichef anzutreten. Hier ist die Frage, ob
ein FDP-Grande für eine „Übergangsperiode“ die FDP führt oder ob
gleich ein neuer „Langzeitvorsitzender“ das neue Gesicht der FDP
wird.
Allen drei Modellen ist eigen, dass der Glaube der FDP an Rösler
in nur einem Jahr komplett abhandengekommen ist. Mehrfach ist auf
den Gängen zu hören: „Wenn es nach den Delegierten gegangen wäre,
hätten wir schon auf diesem Parteitag einen neuen Vorsitzenden
wählen können.“ Denn der Zustand der FDP sei „doch schlimm“.
NRW wird letzte Bewährungsprobe
Die Parteispitze sieht die Lage anders. Komplett anders.
Karlsruhe habe den erhofften „Befreiungsschlag“ gebracht, sagen
mehrere Präsidiumsmitglieder. Von einem „turnaround“ – also einer
Trendwende – ist die Rede. Von neuer Geschlossenheit und Aufbruch.
Verwiesen wird auf die neuen „Freiheitsthesen“, die nach Röslers
Worten „ein klares Signal nach außen“ setzen: „Wir sind wieder da,
mit uns ist zu rechnen!“
Vielen Delegierten ist dies wie Pfeifen im dunklen Walde. Gerade
hat eine neue Umfrage die Liberalen im bevölkerungsreichsten
Bundesland bescheinigt, in drei Wochen die Fünf-Prozent-Marke nicht
zu packen. Ein hochrangiger FDP-Mann bringt den anhaltenden Unmut
auf den Punkt: „Wenn Rösler die Bewährungsproben Landtagswahl NRW
und Schleswig-Holstein schafft, dann schließe ich nicht aus, dass er
Parteivorsitzender bleibt. Aber seine Karten sind schlecht.“