Robert Habeck im AZ-Interview: "Es fühlt sich ziemlich frei an"

Im Interview mit der AZ spricht Grünen-Chef Robert Habeck über sein neues Amt, die Jamaika-Sondierungen und bayerische Kultur.
von  Simon Haas
"Diese lange Phase des politischen Ziehens und Zerrens hilft nicht gerade, Vertrauen in Politik zu schaffen", sagt Robert Habeck über die GroKo-Verhandlungen.
"Diese lange Phase des politischen Ziehens und Zerrens hilft nicht gerade, Vertrauen in Politik zu schaffen", sagt Robert Habeck über die GroKo-Verhandlungen. © Bernd von Jutrczenka/dpa

AZ: Herr Habeck, die Umfragewerte der Grünen sind momentan richtig gut. Hoffen Sie nicht insgeheim auf ein Scheitern der GroKo-Verhandlungen und auf Neuwahlen?
ROBERT HABECK: Nein. Auf eine Neuwahl zu spekulieren, verbietet sich für Demokraten. Es wird aber Zeit, dass die Hängepartie endlich mal vorbei ist und klar wird, wo es jetzt lang geht. Diese lange Phase des politischen Ziehens und Zerrens hilft nicht gerade, Vertrauen in Politik zu schaffen.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen haben sie von "unüberbrückbaren Differenzen" gesprochen. Wo lagen diese Differenzen konkret?
"Unüberbrückbar" war vielleicht der falsche Ausdruck. Die Frage muss sein: Wie kann man etwas Gemeinsames hinbekommen, obwohl man politisch und von den Ideen her aus verschiedenen Ecken kommt? Ich habe ja Jamaika in Schleswig-Holstein mitverhandelt und dort hat es funktioniert. Auf Bundesebene war die Energiewende einer der Knackpunkte: Die FDP schreit, der Markt solle das alles allein regeln. Sie ignoriert aber, dass die Energiewende ohne Idee, Ziel und Rahmen keinen Millimeter vorankommt. Ein anderes Beispiel ist Europa.

Da prallen völlig unterschiedliche Sichtweisen aufeinander.
Wir wollen bei den Finanzen eine Solidarität mit den verschuldeten EU-Ländern. Die FDP war strikt dagegen.

Also lagen die Hauptspaltungslinien zwischen den Grünen und der FDP?
So einfach lässt sich die Linie nicht ziehen. Bei der Flüchtlingspolitik lagen die Differenzen zwischen uns und der CSU.

Sie haben kritisiert, die wirklich kniffligen Fragen seien zu lange aufgeschoben worden. Heißt das, sie geben der Kanzlerin als Verhandlungsführerin die Schuld am Scheitern?
Nein, ich saß ja selbst mit am Tisch und hätte darauf hinweisen können, dass hier grundsätzlich etwas falsch läuft. Das war wie eine Schraube, die man schief reindreht. Die kriegt man nicht mehr gerade. Das Verblüffende ist, dass so viele erfahrene Politiker dabei waren und nicht erkannt haben, dass die Verhandlungen auf ein Scheitern zuliefen.

"Nicht alles ging genau so, wie ich es haben wollte, aber es ging"

Läuft das im Moment mit der Großen Koalition ähnlich?
Ob am Ende eine Regierung steht oder nicht, werden wohl die SPD-Mitglieder entscheiden. Union und SPD liegen nicht so weit auseinander wie die Jamaika-Akteure. Dafür sind die Schuhe ausgelatscht. Nach allem was wir wissen, setzen sie jetzt im Wesentlichen die Politik der letzten Jahre fort, nur nehmen sie etwas mehr Geld in die Hand.

Mit Ihnen und Annalena Baerbock als Vorsitzende haben die Grünen mit zwei Prinzipien gebrochen: der Trennung von Amt und Mandat und dem Flügelproporz. Haben sie damit Ballast aus vergangenen Zeiten abgeworfen oder einen Teil ihrer Identität preisgegeben?
Weder noch. Für uns beide war die Kandidatur aus der Leidenschaft heraus geboren. Leidenschaft dafür, eine optimistische, zugewandte Politik zu machen. Und der Parteitag hat gezeigt: Auf diese Idee hat die Partei Bock. Das ist eine Kraft, die wir jetzt als Auftrag mitnehmen. Ich muss sagen: Es fühlt sich ziemlich frei an.

Sie haben als Ziel ausgegeben, gegen die politische Lethargie vorzugehen. Wie wollen Sie das konkret machen?
Das ist eine Frage des politischen Stils. Politik strahlt oft aus, dass sie sowieso alles weiß und alle anderen keine Ahnung haben. Ich will eine Einladung formulieren: Wir haben zwar Ideen und Vorstellungen, wie wir mit Problemen umgehen, aber was sind denn eure Ideen? Lasst uns das mal diskutieren.

Und das funktioniert?
Mit dieser Haltung konnte ich in Schleswig-Holstein eine grüne Landwirtschaftspolitik und eine grüne Energiepolitik machen, ohne die Menschen zu verlieren. Selbst die Leute, die das alles doof fanden, sind dabeigeblieben. Nicht alles ging genau so, wie ich es haben wollte, aber es ging.

Kommende Woche sind Sie der Hauptredner beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Landshut. Fühlen Sie sich als Nordlicht für die bayerische Bierzeltkultur gewappnet?
Nein. Davor habe ich mehr Respekt als vor dem Parteitag, auf dem ich gewählt wurde. Andererseits war ich in den letzten Jahren häufiger in Niederbayern und ich glaube, dass die Menschen dort den Norddeutschen gar nicht so unähnlich sind, in ihrer Eigenwilligkeit und in ihrer rauen Herzlichkeit.

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