Rente mit 63: Die Rentner fehlen

München – Kritiker der schwarz-roten Rentenpolitik hatten davor gewarnt, nun ist es amtlich: Die Rente mit 63 hinterlässt offenbar tiefe Spuren am Arbeitsmarkt. Der Anstieg der Zahl älterer Arbeitnehmer ist gestoppt. Sehr zum Leidwesen der Arbeitgeber, die den Verlust von Fachkräften beklagen.
Nachdem sich die Zahl der älteren Beschäftigten innerhalb von nur acht Jahren mehr als verdoppelt hat, ist dieser Anstieg mittlerweile so gut wie gestoppt.
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Die aktuelle Entwicklung: In den ersten drei Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes lag er nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit bei den 60- bis 65-jährigen nur noch bei 0,45 Prozent. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte er noch 2,8 Prozent betragen. Insgesamt haben bis Ende Februar rund 255 000 Versicherte einen Antrag auf Rente ohne Abschläge nach 45 Versicherungsjahren gestellt. Die Rentenkassen kostet das etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Die Reaktion der Gegner: Die Rente mit 63 ist auch mehr als neun Monate nach ihrer Einführung noch umstritten. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen sorgen erneut für Zündstoff.
„Die Anreizwirkung der Rente mit 63 ist offenbar immer noch so groß, dass Personen, die sonst weiter gearbeitet hätten, früher als geplant in Rente gehen“, betonte der sozialpolitische Sprecher der Union, der Allgäuer Abgeordnete Stephan Stracke auf Anfrage. Ein Sprecher von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisierte dies dagegen als „schlimmen Rückfall in der Rentenpolitik“.
Die Rente mit 63 untergrabe alle Anstrengungen, die Beschäftigung Älterer zu erhöhen und entziehe dem Arbeitsmarkt gerade in Zeiten des Fachkräftemangels dringend benötigte Arbeitskräfte.
„In vielen Betrieben gibt es kaum noch ältere Beschäftigte“
Besonders deutlich wird dieser Effekt nach den Zahlen der Bundesagentur beim Blick auf die Beschäftigungsquote, also den Anteil der Erwerbstätigen innerhalb einer bestimmten Altersklasse. Bei den Arbeitnehmern jenseits der 60 ist er innerhalb von nur vier Jahren von 25 auf 35 Prozent gestiegen, mit Einführung der abschlagsfreien Rente beginnt er nach den ersten Zahlen offenbar zu stagnieren.
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So sehen es die Arbeitnehmer: Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Klaus Barthel, wies die Kritik an der Rente mit 63 auf AZ-Anfrage zurück. Nach wie vor seien viele Arbeitgeber der Meinung, Arbeitnehmer seien im fortgeschrittenen Alter nicht mehr so leistungsfähig, betonte der Abgeordnete aus Starnberg. „In vielen Betrieben finden Sie deshalb kaum noch Beschäftigte, die älter als 60 sind.“
Da längst nicht alle älteren Mitarbeiter die Voraussetzung für die Rente mit 63 erfüllten und der Staat die Einstellung älterer Langzeitarbeitsloser mit Zuschüssen fördere, hätten die Unternehmen noch Möglichkeiten genug, erfahrene Fachkräfte in ihren Betrieben zu halten oder sie in ihre Betriebe zu holen. „Das muss man aber auch wollen.“
Änderungen gefordert: Forderungen aus der Union, den Zugang zur Rente mit 63 zu erschweren, erteilte Barthel eine Absage: „Das machen wir nicht mit.“ Hierzu gebe es nicht nur klare Verabredungen in der Koalition. „Auch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung steht hinter der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren.“ Führende Wirtschaftspolitiker der Union wie der Mittelstandsexperte Christian von Stetten drängen darauf, Zeiten der Arbeitslosigkeit aus den 45 Jahren heraus zu rechnen. Barthel dagegen argumentiert, auch während der Arbeitslosigkeit zahle die Bundesagentur für die Betroffenen Beiträge in die Rentenkassen ein.
Die Rente mit 63: Seit Juli vergangenen Jahres können Beschäftigte nach 45 Beitragsjahren bereits mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Analog zur Einführung der Rente mit 67 steigt diese Altersgrenze vom Geburtsjahrgang 1953 schrittweise an. Alle Versicherten, die 1964 oder später geborenen wurden, können dann erst mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente, also ebenfalls zwei Jahre früher als eigentlich vorgesehen.