Rente: Die neuen Regeln

Das größte Paket der Regierung ist beschlossen. Die AZ erklärt, was jetzt für wen gilt – und auch, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern der 160-Milliarden-Reform gehört
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Das größte Paket der Regierung ist beschlossen. Die AZ erklärt, was jetzt für wen gilt – und auch, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern der 160-Milliarden-Reform gehört

Berlin - Nun ist es also durch, das 160-Milliarden-Paket: Mit 480 von 584 Stimmen hat der Bundestag am Freitag die große Rentenreform verabschiedet. Die SPD votierte geschlossen mit Ja, bei der Union gab es elf Abweichler, deutlich weniger als erwartet. Das mit weitem Abstand teuerste Projekt der großen Koalition kann nun zum 1. Juli in Kraft treten. Die AZ erklärt die neuen Regeln.

Rente mit 63

Was gilt? Wer 45 Beitragsjahre vorweisen kann, darf mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen. Das betrifft aber nur die Jahrgänge bis einschließlich 1951, danach steigt das Zugangsalter schrittweise (siehe Tabelle). Der Jahrgang 1958 zum Beispiel darf erst mit 64 Jahren in die neue Frührente. Das Schlüsselwort ist hier „abschlagsfrei“: Auch Menschen mit weniger als 45 Beitragsjahren können ab 63 in Rente – doch sie müssen dafür lebenslange Kürzungen ihrer Altersbezüge in Kauf nehmen.

Welche Zeiten zählen für die 45 Jahre mit? Alle Zeiten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, Wehr- oder Zivildienst, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen, Zeiten von Bezug von Insolvenz- oder Kurzarbeitergeld sowie Arbeitslosengeld I (Ausnahme siehe nächste Frage) sowie Zeiten mit freiwilligen Beiträgen von Selbstständigen, wenn es mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge gibt. Nicht mitgezählt werden Zeiten von längerer Arbeitslosigkeit, also Hartz IV, sowie Zeiten schulischer Ausbildung (inklusive Studium).

Was ist der „rollierende Stichtag“? Zeiten mit Arbeitslosengeld I werden nicht für die 45 Jahre mitgezählt, wenn sie am Ende des Arbeitslebens liegen – konkret bis zu 24 Monate vor dem persönlichen Renteneintrittsdatum. Das muss nicht zwingend der 63. Geburtstag sein; wer die Voraussetzungen erst mit 64 erfüllt, bei dem werden zwei Jahre ab dann zurückgerechnet. Eine Ausnahme von dieser Sperrfrist gibt es: Wer wegen Insolvenz oder Geschäftsaufgabe des ganzen Betriebs arbeitslos wird, darf auch die Zeiten von Arbeitslosengeld I direkt vor Renteneintritt mitrechnen.

Wer profitiert, wer hat Pech? Vor allem Männer werden das Modell nützen können: 86 Prozent der langjährig Versicherten mit 45 Beitragsjahren sind männlich. Und vor allem Facharbeiter. Akademiker und auch Angehörige sozialer Berufe mit teilweise schulischer Ausbildung wie Erzieher oder Krankenpfleger kommen nur im Ausnahmefall auf 45 Jahre. Pech haben auch alle, die schon in Rente sind: Wer mit Abschlägen in den Ruhestand gegangen ist, behält lebenslang diese Kürzungen, selbst wenn er nach neuem Recht die Bedingungen für eine volle Rente erfüllt. Das beschlossene Paket gilt nur für neue Rentenanträge. Wer bereits einen gestellt hat, kann ihn zurücknehmen, um von der Neuregelung zu profitieren, solange der bindende Bescheid noch nicht erteilt wurde, so die Rentenkasse.

Mütterrente.

Was gilt? Mütter bekommen künftig für ihre vor 1992 geborenen Kinder einen Entgeltpunkt (also einen durchschnittlichen Jahresbeitrag in die Rentenkasse) zusätzlich gutgeschrieben. Im Westen erhöht das ihre monatliche Rente um 28,61 Euro pro Kind.

Wer profitiert, wer hat Pech? Die Regelung erhöht 9,5 Millionen Frauen die Rente. Aber es gibt auch zwei Gruppen von Verliererinnen: erstens arme Rentnerinnen, die auf Grundsicherung (das Hartz IV im Alter) angewiesen sind, weil sie weniger als 391 Euro plus Miete im Monat haben. Bei ihnen wird das Plus von der Grundsicherung abzogen, unter dem Strich haben sie also nichts davon. Zweitens Frauen, die schon nach dem ersten Geburtstag des Kindes wieder arbeiten gegangen sind. Bei ihnen wird die Mütterrente mit den im Beruf erworbenen Ansprüchen verrechnet. Je nach Verdienst schmilzt die Mütterrente entsprechend.

Die Erwerbsminderungsrente.

Was gilt? Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, wird etwas besser gestellt: Bisher wird seiner Rente eine theoretische Arbeitszeit bis zum 60. Lebensjahr zugrundegelegt, künftig bis zum 62. Das macht im Monat ein Plus von rund 40 Euro. Auch diese Regel gilt nur für neue Rentner, nicht für bisherige.

Die Kosten.

Sie betragen pro Jahr neun bis elf Milliarden Euro, also 160 Milliarden bis 2030. Der teuerste Einzelposten ist die Mütterrente mit 6,5 Milliarden pro Jahr, dahinter folgt die Rente mit 63 mit zwei bis drei Milliarden. Während nur einzelne Gruppen profitieren, müssen alle zahlen: Durch die Reform sinkt das Rentenniveau insgesamt schneller, als wenn es sie nicht geben würde, gleichzeitig steigen die Beiträge stärker.

 

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