Reichsbürger hatte Spitzel bei der Polizei

Der Todesschütze von Georgensgmünd chattete mit zwei Beamten, einer stellte für ihn sogar illegale Nachforschungen an
Von Natalie Kettinger |
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Das Haus des „Reichsbürgers“ im fränkischen Georgensgmünd: Hier feuerte er auf Polizeibeamte und tötete einen 32-jährigen SEKler. Kleines Bild: Über WhatsApp in Kontakt mit der Polizei: Wolfgang P.
dpa Das Haus des „Reichsbürgers“ im fränkischen Georgensgmünd: Hier feuerte er auf Polizeibeamte und tötete einen 32-jährigen SEKler. Kleines Bild: Über WhatsApp in Kontakt mit der Polizei: Wolfgang P.

Der Vorwurf wiegt schwer: Wolfgang P., der „Reichsbürger“ aus Georgensgmünd, der am 19. Oktober einen SEK-Beamten († 32) erschossen hat, pflegte Kontakte zu zwei mittelfränkischen Polizeibeamten. Einer von ihnen soll Dienstgeheimnisse an den Republik-Leugner weitergegeben haben. Beide wurden gestern mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Kollegen durchsuchten Wohnungen und Arbeitsplätze, stellten Computer und Mobiltelefone sicher.

Die Ermittler der „Soko Reichsbürger“ waren über einen Chatverlauf auf die beiden aufmerksam geworden: Der 49-jährige Ober- und der 50-jährige Hauptkommissar hatten sich über den Nachrichtendienst WhatsApp immer wieder mit dem Todesschützen von Georgensgmünd unterhalten.

Damit nicht genug: Als das Landratsamt Roth am 22. August P.s Recht zum Waffenbesitz wegen Unzuverlässigkeit widerruft und ihn auffordert, seine Waffen abzugeben, bittet dieser seinen Spezl den Oberkommissar doch einmal nachzusehen, was im Polizeicomputer über ihn gespeichert sei.

„Anschließend hat der Beschuldigte dem Tatverdächtigen von Georgensgmünd das Ergebnis mitgeteilt“, sagte Oberstaatsanwalt Alfred Huber auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Gegen P. habe zu diesem Zeitpunkt nichts vorgelegen, dennoch stehe eine „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ im Raum.

Beide Beamte werden mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert

Der Oberkommissar – in dessen Wohnung verbotene Wurfsterne und -messer sowie eine Schreckschusswaffe ohne PTB-Siegel gefunden wurden – wird als Beschuldigter geführt. Seine Freundin und der Hauptkommissar gelten als Zeugen.

Unklar ist, ob die beiden Beamten selbst zur so genannten Reichsbürger-Szene gehören. Das heißt: Ob auch sie, wie der 49-jährige Wolfgang P., die Bundesrepublik als Staat ablehnen, Verfassung, Behörden und Gerichten die Legitimität absprechen.

Durch den Kontakt zu P. seien sehr wohl Zweifel an ihrer der Verfassungstreue aufgekommen, sagte der mittelfränkische Polizeipräsident Johann Rast. Es gebe zumindest einen „gewissen Anfangsverdacht“, dass die beiden auch „Reichsbürger“ seien. „Allerdings haben wir bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass sie gegenüber Behörden bereits als solche aufgetreten sind“, ergänzte Oberstaatsanwalt Huber.

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Nach derzeitigen Erkenntnissen gebe es auch keine Hinweise darauf, dass P. vor dem Einsatz des Spezialeinsatzkommandos im Oktober gewarnt worden sei, sagte Huber. Die Beamten hatten bei der Beschlagnahmung der mehr als 30 Waffen helfen sollen, die P. gehortet hatte. Als sie das Haus stürmten, feuerte der frühere Kampfsportlehrer auf sie. Mehrere Kugeln verletzten einen 32-Jährigen tödlich.

Irritierend: Eine Woche später entdeckte ein Spaziergänger etwa 20 Kilometer von Georgensgmünd entfernt mehrere Kisten mit Gewehren und Munition, die ebenfalls Wolfgang P. gehörten. Die Polizei geht davon aus, dass die Waffen im Wald versteckt wurden, als dieser bereits in Haft saß – von wem ist bis heute unklar. Oberstaatsanwalt Huber: „Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass die beiden Beamten irgendetwas mit dem Wegschaffen der Waffen zu tun hatten.“

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich „entsetzt“ über die neuen Erkenntnisse. Der Rechtsextremismus-Experte der SPD-Landtagsfraktion, Florian Ritter, forderte die Staatsregierung auf, Verflechtungen von „Reichsbürgern“ und Polizei umgehend aufzuklären. „Die Staatsregierung hat die Gefahr durch Reichsbürger auch innerhalb bayerischer Behörden viel zu lange heruntergespielt“, sagte Ritter. Auch die innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Katharina Schulze, kritisierte, die CSU habe bei dem Thema „zu lange weggeschaut“.

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