Regierungskrise: CSU will Rache an Oppermann

Friedrich soll nicht das einzige Opfer bleiben. Der Druck auf den SPD-Fraktionschef wächst. Am Dienstag treffen sich Merkel, Seehofer und Gabriel. Am Mittwoch ist die Affäre im Bundestag
von  Angela Böhm

Friedrich soll nicht das einzige Opfer bleiben. Der Druck auf den SPD-Fraktionschef wächst. Am Dienstag treffen sich Merkel, Seehofer und Gabriel. Am Mittwoch ist die Affäre im Bundestag.

Berlin/Bamberg – Sie trauen sich gegenseitig nicht mehr über den Weg. Nach nur 62 Tagen ist das Klima in der großen Koalition schockgefroren. CSU-Agrarminister Hans-Peter Friedrich musste zurücktreten, weil er als Innenminister die SPD vor Ärger bewahren wollte. Ans Messer geliefert hat ihn SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, um von sich selbst abzulenken. Dem droht nun die Rache der CSU. Die will in der Edathy-Affäre nicht allein die Zeche bezahlen – und auch Oppermanns Kopf rollen sehen. Das Hauen und Stechen geht weiter. Die Regierung steckt in der Krise.

Am Dienstag kommen Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel zum Koalitionsausschuss zusammen. Dann wird Tacheles geredet. „Wir werden über die Art und Weise der Zusammenarbeit reden müssen“, macht Seehofer der SPD schwere Vorwürfe. Er kocht innerlich vor Wut, will sie aber verbergen.

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Am Wochenende, auf dem kleinen CSU-Parteitag in Bamberg schaltet er auf Attacke und schießt sich auf Oppermann ein. Nicht nur dessen „Geschwätzigkeit“ sei unerklärlich. Es sei auch eigenartig, was sich da an Widersprüchlichkeiten beim Fraktionsvorsitzenden Oppermann aufgetürmt hätten, lenkt Seehofer den Fokus auf den SPD-Mann.

Der hatte per Presseerklärung veröffentlicht, dass Friedrich bei den Koalitionsverhandlungen im Oktober SPD-Chef Gabriel darüber eingeweiht habe, dass sein Innen-Experte Edathy im Visier internationaler Fahnder stehe. Dass das ein gezieltes Ablenkungsmanöver war, mit dem sich die SPD selbst aus der Schusslinie bringen wollte, ein Vertrauensbruch, darüber ist man sich in der CSU einig.

Schonungslos ins Gericht geht Hans-Peter Friedrich mit Oppermann: „Er hat versucht, in letzter Sekunde, wenn man ihn am Schlafittchen hat, den Ball zu mir zu schieben. Das ist nicht fein.“ Es sei schon merkwürdig, sinniert der Gestürzte, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende erst den Eindruck erweckt habe, er habe den Fall Edathy aus der Presse erfahren. Und dann stelle sich plötzlich heraus, er habe BKA- Präsident Ziercke angerufen. „Der wusste wahrscheinlich über die ganze Causa mehr als ich“, sagt Friedrich ganz ruhig.

Der Anruf könnte nun für Oppermann zum Verhängnis werden. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat ein Ermittlungsverfahren auch gegen den SPD-Fraktionschef gefordert. Wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat. Der habe Ziercke angerufen, um von ihm geheime Informationen zu bekommen, ist sich Kubicki sicher. Auch gegen den BKA-Chef müsse die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Während der Druck auf ihn steigt, wäscht Oppermann seine Hände in Unschuld. „Als der Hinweis auf Edathy kam, hatte ich die Sorge, dass etwas Schlimmes passiert sein könnte. Deshalb habe ich bei Herrn Ziercke angerufen, um die Sache einordnen zu können“, sagt er der „Bild am Sonntag“. Der BKA-Chef habe ihm aber keine Einzelheiten genannt.

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Seinen Verrat an Friedrich verteidigt er: „Es geht um Wahrhaftigkeit.“ Er habe „ehrlich“ beantworten wollen, wer wann was gewusst habe. Am Mittwoch will sich Oppermann im Bundestag rechtfertigen.

Von „abgrundtiefer Dummheit“ dagegen spricht Bayerns früherer Ministerpräsident und Ex-Innenminister Günther Beckstein.

CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl formuliert, was sich in der CSU nun alle fragen: „Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornographische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt.“

Für SPD-Chef Gabriel aber wäre es nicht einfach, seinen Fraktionschef fallen zu lassen. Oppermann gilt neben ihm, dem Parteichef, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier als eine der drei Säulen der Sozialdemokraten. Personelle Konsequenzen in der SPD schließt Gabriel aus. Der Sturz Oppermanns würde eine tiefe Wunde reißen.

Für Seehofer dagegen ist der Rücktritt seines Agrarministers verschmerzbar. Richtig gemocht hatte er Friedrich nie. Auch wenn der Chef der CSU-Oberfranken ist, in der CSU spielt er keine tragende Rolle. Als Innenminister war er Seehofers dritte Wahl, weil zwei Kandidaten aus Bayern verweigert hatten, nach Berlin zu wechseln.

Immer wieder lästerte Seehofer abfällig über seinen „Oberbedenkenminister“. Erst jetzt, nach Friedrichs Fall, hebt er ihn in den Himmel wie einen Märtyrer.

Das entbehrt nicht einer gewissen Tragik: Ausgerechnet am Tag nach seinem Rücktritt feiert der Ex-Minister sein 40-jähriges CSU-Jubiläum. Schon lange war ausgemacht, dass Seehofer direkt von Bamberg in die Frankenhalle nach Naila, in die Heimatstadt Friedrichs fährt, um das zu zelebrieren.

Als Verstärkung nimmt Seehofer seinen neuen Vize Peter Gauweiler mit. In Naila preist der CSU-Chef Friedrich als honorigen Politiker: „Es war ein bitterer Freitag für Hans-Peter und mich und die ganze Partei.“ Und: „Wir stehen hinter Hans-Peter!“

Das war am Freitag noch anders. „Ich hatte keine politische Unterstützung mehr: weder von der CDU noch von der CSU“, erklärt Friedrich seinen Rücktritt und gibt sich demonstrativ optimistisch: „Das Leben geht weiter.“ Die Regierungskrise auch.

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