Regierung und Hisbollah schließen Frieden
Wenn Libanesen Politik machen, steckt der Teufel oft im Kleingedruckten. Deshalb war das Staunen groß, dass die Verhandlungen schnell beendet waren. Die Hisbollah ist zufrieden - und im Machtgefüge im Nahen Osten sind die Karten neu gemischt.
«Ahmed, los, nimm das Abkommen und lauf schnell weg», scherzt Scheich Hamed bin Dschasim al-Thani. Ein junger Mann im traditionellen arabischen Gewand eilt zu dem Tisch, auf dem die frisch unterzeichnete Vereinbarung der libanesischen Konfliktparteien liegt.
Nach den zähen Verhandlungen der vergangenen Tage traut der katarische Außenminister den Vertretern der libanesischen Konfliktparteien offenbar alles zu: Sogar dass sie das Papier, mit dem sie an diesem heißen Tag im Mai einen Schlussstrich unter 18 Monate Regierungskrise und fünf Tage Straßenkämpfe ziehen sollen, in letzter Minute zerreißen.
Gestritten und über Details gefeilscht
Denn, wenn die Libanesen Politik machen, steckt der Teufel oft im Kleingedruckten. Vor Monaten hatte es schon einmal geheißen, die pro-westliche Regierung von Fuad Siniora habe sich mit der von Syrien und dem Iran unterstützen Opposition geeinigt, General Michel Suleiman zum Staatspräsidenten zu wählen. Dann wurde wieder von neuem gestritten und über Details gefeilscht.
Doch an diesem Mittwoch ist es alles anders, ganz anders. Schon wenige Minuten nachdem Scheich Hamad in einem Hotel am Meer in Doha die Vereinbarung verlesen hatte, bauen die Anhänger der schiitischen Hisbollah im Stadtzentrum von Beirut ihr Zeltdorf ab, das sie im Dezember 2006 mit dem Ziel errichtet hatten, die Siniora-Regierung zu stürzen. Parlamentspräsident Nabih Berri legt einen neuen Termin für die seit mehr als einem halben Jahr ausstehende Wahl des Staatspräsidenten fest.
Dominosteine fallen schnell
Saudi-Arabien, das hinter Siniora steht, und Syrien, das die Hisbollah unterstützt, begrüßen beide das Abkommen der libanesischen Parteien. Gleichzeitig geben die Regierungen Israels und Syriens bekannt, dass sie nach ersten Sondierungsgesprächen, die von der Türkei vermittelt worden waren, nun indirekte Friedensverhandlungen beginnen wollen. Und der als Vermittler tätige ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman berichtet von Fortschritten bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas über eine Waffenruhe im Gaza-Streifen. Die Dominosteine fallen an diesem Mittwoch so schnell, dass die arabischen Nachrichtensender eine Blitzmeldung nach der anderen einblenden. «Werden die Israelis wirklich in absehbarer Zukunft die besetzten syrischen Golanhöhen räumen?», fragt man sich, und «wird die libanesische Opposition ihre Veto-Macht künftig nutzen, um die Interessen Syriens durchzusetzen?»
Spekulationen über Strategiewechsel der USA
Was die Dominosteine zum Umfallen gebracht haben könnte, ist möglicherweise ein Schwenk der Politik Washingtons. Die unabhängige syrische Tageszeitung «Al-Watan», die sich mehr Freiheiten herausnimmt als die Staatsmedien, schreibt an diesem Mittwoch unter Berufung auf westliche Diplomaten, die US-Regierung plane einen Strategiewechsel in ihren Beziehungen zu Damaskus. «Es gibt amerikanische Experten und Berater, die jetzt überzeugt sind, dass die Zeit gekommen ist für direkte Gespräche mit Syrien», heißt es bei «Al-Watan». Vizepräsident Dick Cheney plädiere zwar weiterhin dafür, Syrien zu isolieren. Doch Außenministerin Condoleezza Rice sei für eine Annäherung. Für die Machtbalance in Nahost und am Golf bedeutet das: Die USA könnten Israel grünes Licht für Verhandlungen mit Syrien gegeben und ihre libanesischen Verbündeten um Ministerpräsident Siniora dazu bewegt haben, auf die Forderungen der Hisbollah einzugehen. Denn sowohl eine Befriedung des Libanon als auch Friedensgespräche zwischen Syrien und Irans Erzfeind Israel könnten von Washington genutzt werden, um in dem Dreierclub Hisbollah-Syrien-Iran Unfrieden zu stiften. (Anne-Beatrice Clasmann, dpa)
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