"Regierung totschlagen": Eklat um AfD-Mitglied Albert Mutschlechner im Kreistag in Garmisch-Partenkirchen

Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen (Bayern) hat der Kreistag gegen die Aufnahme des AfD-Nachrückers Albert Mutschlechner gestimmt. Rechtlich ist das äußerst umstritten. Auch wenn der Mann Dinge postet, die an Deutschlands dunkelste Zeiten erinnern.
von  Heidi Geyer
Blick über Garmisch-Partenkirchen mit der Zugspitze im Hintergrund.
Blick über Garmisch-Partenkirchen mit der Zugspitze im Hintergrund. © Foto: imago/Mangold

Garmisch - Er fordert die früher deutschen Gebiete in Schlesien zurück, die polnische Bevölkerung dort soll enteignet werden. "Like (gemeint sind vermutlich Linke, d. Red.) und Grüne, die an unser Wohneigentum wollen, gehören eingesperrt. Wenn mir einer mein Haus nehmen will, lege ich ihn eigenhändig um, das ist Fakt", schreibt er an anderer Stelle.

Wenn er so etwas lese, heißt es in einem anderen Post, "könnte ich die ganze Regierung todschlagen" (sic). Natürlich mache er es "jetzt noch nicht, da es verboten ist", schreibt er auf Facebook.

Landkreis Garmisch-Partenkirchen: AfD-Mann Albert Mutschlechner soll in Kreistag aufrücken

Der ganze Landkreis Garmisch-Partenkirchen fragt sich, ob so jemand im Kreistag Politik machen darf, Politik machen soll. Albert Mutschlechner, Inhaber des Facebook-Accounts, stammt aus Ohlstad und ist AfD-Mitglied.

Eine von zwei AfD-Mitgliedern im Kreistag scheidet aus. Auf ihren Platz soll nun Mutschlechner nachrücken. Der Platz kann grundsätzlich nicht "leer" bleiben, er muss besetzt werden, andernfalls hat der Kreistag keine Beschlussfähigkeit. Anspruch auf den Platz hat eben gemäß Wahlergebnis die AfD.

Kreistag muss über Aufnahme Mutschlechners abstimmen

Formell ist es jedoch so, dass der Kreistag über eine neue Aufnahme abstimmt. Die Garmisch-Partenkirchener Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU) zeigte im Kreistag die eingangs erwähnten Äußerungen Mutschlechners auf Facebook.

Sie habe einen Tag vor der Sitzung von den Posts erfahren. "Da haben wir uns natürlich kurzgeschlossen", sagt Koch der AZ. Das sei aber keine konzertierte Aktion gewesen, dafür sei gar keine Zeit gewesen angesichts von 60 Mitgliedern. Der SPD-Kollege habe in der Sitzung beantragt, dass man den Antrag ganz zum Schluss behandle, so Koch.

Die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen: Elisabeth Koch.
Die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen: Elisabeth Koch. © Foto: dpa

Fünf zu 39: Kreistag will AfD-Mitglied Albert Mutschlechner nicht im Gremium haben

Doch mit fünf zu 39 Stimmen lehnte das Gremium die Wahl von Mutschlechner ab. Es muss ein Moment der Sprachlosigkeit für alle Beteiligten gewesen sein. "Da war im Saal ein Vakuum von mindestens einer halben Minute." Auch Koch hat gegen ihn gestimmt. Sie sieht sich im Recht: "Als Mandatsträger unterliege ich einzig und allein meinem Gewissen. Punkt."

Landrat Anton Speer (Freie Wähler) hat für die Aufnahme Mutschlechners votiert. "Den muss ich in Schutz nehmen", sagt Koch. Speer sei zwar abstimmungsberechtigt, aber nicht Mitglied des Kreistags und habe rechtlich eine andere Stellung. "Der musste zustimmen!", sagt die Garmischer Bürgermeisterin. Dass Mutschlechner bei den Lokalwahlen demokratisch gewählt sei, wolle sie nicht in Abrede stellen.

Freie-Wähler-Landrat Anton Speer.
Freie-Wähler-Landrat Anton Speer. © Angelika Warmuth/dpa

AfD-Politiker in Bayern fallen immer wieder mit schockierenden Äußerungen auf

Der Vorgang ist leider kein Einzelfall. Immer wieder verstören auch in Bayern AfD-Politiker auf kommunaler Ebene. In Prien am Chiemsee wurde ein Gemeinderat sogar wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Mann hatte auf Facebook Inhalte mit "wow" kommentiert, die den Holocaust leugnen. Der Gemeinderat distanzierte sich von den Äußerungen, zum Teil wurde sein Rücktritt gefordert. Selbst der AfD-Kreisverband rückte damals von dem Gemeinderat ab.

Kurze Zeit später warf er auf Facebook einem syrischen Unternehmer in Prien vor, sich illegal im Land aufzuhalten - ein Vorwurf, der nicht stimmte. Wegen seiner Aktionen in den Sozialen Medien wurde der Mann schließlich wegen Volksverhetzung zu einer Strafe von 7200 Euro verurteilt. Er sitzt aber nach wie vor im Priener Gemeinderat. In Deutschland verliert die Wählbarkeit nur, wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird.

AfD wehrt sich gegen Beschluss des Kreistags: "Werden mit dem Landesvorstand dagegen vorgehen"

Für die AfD ist der Vorgang im Landkreis Garmisch-Partenkirchen nicht rechtens. Schließlich handle es sich bei den Posts nicht um strafrechtlich relevante Sachverhalte, zumal sie aus dem Zusammenhang gerissen worden seien, heißt es in einer Stellungnahme des Kreisverbands auf Facebook. Und weiter: "Nach Wahlrecht muss Albert Mutschlechner als gewählt angesehen werden. Wir werden zusammen mit dem Landesvorstand, der bereits informiert ist, dagegen vorgehen."

Meinungsäußerungen müssten nicht jedem gefallen, aber es gebe keinerlei strafrechtliche Relevanz, schreibt der AfD-Kreisverband weiter. In der Tat sind die Posts von Mutschlechner laut BR derzeit in Prüfung bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft München II. Doch die AfD scheint Recht durchaus unterschiedlich auszulegen. Die scheidende Kreisrätin von der AfD ist laut Koch die Schwester von Mutschlechner. Sie sei jedoch nur zweimal im Kreistag gewesen. Aus gesundheitlichen Gründen legt sie nun ihr Mandat nieder.

Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen: Mutschlechner ist Täter und kein Opfer

Koch sieht den späten Zeitpunkt kritisch, bei allem Verständnis für eine Erkrankung: "Tatsache ist, wenn ich ein Mandat habe, muss ich es wahrnehmen." Ob Koch sich nicht Sorgen mache, dass sich die AfD damit wieder auf ihre Opferrolle zurückziehen könne? "Aber mit diesem Post und diesen Aussagen sind Sie nicht Opfer, sondern Täter!", habe Koch zu Mutschlechner noch in der Sitzung gesagt, berichtet sie der AZ. "Jemand, der wirklich übelstes verbreitet, ist kein Opfer, sondern er ist Täter", findet sie.

Tatsächlich ist es so, dass der Beschluss der Rechtsaufsichtsbehörde – in diesem Fall der Regierung von Oberbayern – zur Prüfung vorgelegt wird, teilt das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen der AZ mit. Koch habe schon in der Sitzung gesagt, dass sie dies beantrage. Schließlich ist sie gelernte Juristin. Insofern ist sie sich ihres Handelns sicher: "Wir haben als Mandatsträger fehlerfrei und rechtmäßig nach unserem Gewissen gehandelt."

Bürgermeisterin Elisabeth Koch: "Kann nicht zustimmen, dass so jemand in den Kreistag kommt"

Nur müsse dennoch der Beschluss überprüft werden. "Da gibt es zwei Möglichkeiten, entweder der Landrat wird angewiesen, den Beschluss umzusetzen. Oder im Wege der Ersatzvernahme den Beschluss gleich ganz zu ersetzen", erklärt Koch. Sprich: Im zweiten Fall würde Mutschlechner Mitglied werden. Das sei dann aber reines Verwaltungshandeln.

Um ein bloßes Statement sei es Koch aber nicht gegangen: "Ich habe mein freies Mandat ausgeübt, dass ich nicht zustimmen kann, dass jemand der solche Dinge verbreitet, die wirklich an die dunkelsten Zeiten Deutschlands erinnern, in den Kreistag kommt. Dasselbe wäre passiert, wenn es ein CSUler gewesen wäre."

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