Regierung quält sich nach Flitterwochen im Alltag

«Die ersten drei Monate hat man die rosarote Brille auf, erst dann ist man reif für den Alltag» - solche Aussagen sind derzeit aus der schwarz-gelben Koalition zu hören. Und der Alltag scheint schwer: Das geplante Treffen der Parteichefs gilt mittlerweile als Krisengespräch.
Die schwarz-gelbe Koalition ringt um Einigkeit. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bezeichnete das geplante Dreiertreffen der Parteichefs offen als Krisengespräch und äußerte die Hoffnung, dass daraus eine Aufbruchstimmung entstehen werde. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte die anhaltende Steuerdebatte und forderte die Koalitionspartner zur Mäßigung auf. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär wiederum erklärte die schwarz-gelben Flitterwochen am letzten Tag der Klausurtagung in Kreuth für beendet. Zu dem Dreiergipfel der Parteivorsitzenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) am übernächsten Sonntag sagte CDU-Innenexperte Bosbach der «Bild»: «Ich erhoffe mir von dem Krisen-Gespräch eine Aufbruchstimmung, die für einen Neustart in der Koalition sorgt.» Er fügte hinzu: «Es ist wichtig, dass wir einen klaren Kurs haben und die Bürger nicht den Eindruck gewinnen, wir beschäftigen uns mehr mit uns als mit den Sorgen der Menschen.»
«Wir brauchen einen wirklichen Neustart»
Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl forderte in der selben Zeitung ein Eingreifen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. «Wir brauchen einen wirklichen Neustart», wird er zitiert. «Frau Merkel hat dabei eine integrierende Aufgabe, die Streitereien müssen aufhören.» Im «Handelsblatt» bezeichnete es CDU-Generalsekretär Gröhe als unglücklich, dass erste Erfolge von Schwarz-Gelb nicht stärker gemeinsam herausgestellt worden seien. «Stattdessen wurde zur Unzeit eine Debatte über die nächsten Schritte angestoßen», sagte er. Die Koalition wolle weitere Entlastungen für die Bürger. «Darin sind wir uns vollkommen einig. Aber wir wollen und wir müssen auch die Regeln der Schuldenbremse einhalten», fügte Gröhe hinzu. Das bedeute, dass der Spielraum für weitere Entlastungen ganz entscheidend von der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Monaten abhänge. «Zudem haben wir eben erst einen massiven Wachstumsimpuls gesetzt, der seine Wirkung erst noch entfalten wird», wurde der CDU-Politiker weiter zitiert. Sein Appell laute deshalb: «Lasst uns erst einmal beobachten wie dieser Impuls wirkt, bevor wir vorschnell eine Debatte über den Umfang der nächsten Steuersenkungen führen.» Im Südwestrundfunk sagte Gröhe aber, er sehe den in Kreuth geforderten Neustart der Koalition ausschließlich auf das Erscheinungsbild beschränkt. Von unüberbrückbaren inhaltlichen Differenzen könne nicht die Rede sein, weder in der Steuer- noch in der Gesundheitspolitik.
«Reif für den Alltag»
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Bär erklärte im Gespräch mit Focus Online zwei Monate nach der «Liebeshochzeit» von Union und FDP die Flitterwochen der schwarz-gelben Koalition für beendet. Mit der Regierungsbildung sei es wie beim Verliebtsein gewesen: «Die ersten drei Monate hat man die rosarote Brille auf, erst dann ist man reif für den Alltag.» Bär erinnerte daran, dass die CSU auf ihrer Klausurtagung in Kreuth einen Neustart der Berliner Koalition gefordert hat. Sie lobte aber zugleich die Zusammenarbeit mit der FDP. Schon bei den Koalitionsverhandlungen sei spürbar gewesen, «dass die Zusammenarbeit mit der FDP ein viel höheres Niveau hat als die mit der SPD». Es sei ein sehr angenehmer Stil. (APD)