Regierung in der Krise: Es brennt an allen Ecken
BERLIN - Die schwarz-gelbe Koalition zeigt immer massivere Auflösungserscheinungen. Die FDP droht: „Entweder wir kriegen bald die Kurve, oder es ist Schluss mit der Koalition.“ Der Spiegel titelt bereits mit dem Wort "Aufhören". Die Baustellen von FDP bis Guttenberg.
Es gibt so viele Brandherde, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Löschen offenbar kaum nachkommt: der immer massivere Unmut der FDP, die daraus erwachsende Gefahr, dass die Bundespräsidentenwahl platzt, die Wut auf das Sparpaket – und nun auch noch die nächste Rücktrittsdrohung: von Publikumsliebling Karl-Theodor zu Guttenberg. Laut einer ARD-Umfrage rechnet eine Mehrheit der Bürger bereits mit einem Scheitern der Koalition.
„Aufhören!“ titelt der Spiegel bereits als Aufforderung an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guido Westerwelle. 53 Prozent der Bürger glauben, dass Schwarz-Gelb vorzeitig scheitern wird, selbst 40 Prozent der Unionswähler, ergibt die Infratest-Umfrage für die ARD. Und: 79 Prozent verurteilen das Sparpaket als sozial unausgewogen, am Wochenende gingen in Berlin und Stuttgart mindestens 40000 Menschen dagegen auf die Straße.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: „Inmitten einer tiefen Krise hat Deutschland die schlechteste Regierung seit 1949.“ Er forderte Neuwahlen: „Das wäre die sauberste Lösung. Diese Regierung ist gescheitert.“ Eine große Koalition ohne Neuwahlen schloss er aus.
Neuwahlen, Scheitern, Aufhören – in atemberaubenden Tempo hat sich das Bild geändert. Noch Anfang Mai wurde darüber geredet, in welchem Umfang Schwarz-Gelb die Steuern senken könnte. Heute geht es darum, ob sie überhaupt noch ihren Bundespräsidenten-Kandidaten Christian Wulff durchbringt und wer als nächstes zurücktritt.
FDP-Politiker sprechen bereits offen vom Ende. Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn: „Entweder wir kriegen bald die Kurve, oder es ist Schluss mit der Koalition. Frau Merkel ist entweder nicht fähig oder willig, die Koalition ernst zu nehmen.“ Der baden-württembergische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke spricht von dem Eindruck, „dass Merkel die Koalition hintertreibt. Im Wiederholungsfall stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch Sinn macht.“ Viele FDP-Politiker fürchten, dass es doch noch zu Steuererhöhungen für Gutverdiener kommt, sobald die FDP am 30. Juni Wulff gewählt hat.
Dazu kommt, dass auch FDP-intern die Konflikte groß sind. Der Kreisverband Limburg-Weilburg hat für den Landesparteitag in einer Woche einen Antrag eingebracht, in dem es heißt: „Die Lage der FDP ist dramatisch. Die Führung der Partei auf Bundesebene hat es mit einer beispiellosen Anhäufung von Fehlern in konzeptioneller, strategischer, taktischer und handwerklicher Hinsicht fertig gebracht, die Partei von einem grandiosen Wahlsieg in eine existenzielle Krise zu führen.“ Daraus spricht Verzweiflung. Ebenso aus dem bayerischen Ex-FDP-Abgeordneten Dietrich von Gumppenberg, der jetzt die Initiative „Wir sind die Partei“ gegründet hat. Es müsse auch über Personalien geredet werden, sagt er der AZ, „aber erstmal müssen wir die Regierung stabilisieren“.
Und die wankt noch an anderen Punkten. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll über einen Rücktritt nachgedacht und mit Freunden besprochen haben, berichtet die FAS. Anlass sei der Streit um das Gutachten des Kanzleramts gewesen. Laut SZ hat Guttenberg auch wegen der Wehrpflicht seinen Rücktritt in den Raum gestellt. Er ließ dementieren – doch die Berichtet wurden als Warnschuss an Merkel und Seehofer aufgefasst.
Die Kanzlerin selbst versucht, die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Was die Umgangsformen angeht, müssen wir abrüsten. Wir müssen Verlässlichkeit bieten. Nur so können wir wieder Vertrauen gewinnen.“ tan