Regierung am Ende: Berlusconi-Partei zieht Minister ab

Nach nur fünf Monaten steht Italiens Regierung vor dem Aus. Die Partei von Medienmogul Silvio Berlusconi hat den Rückzug ihrer fünf Minister aus der großen Koalition angekündigt.
von  dpa

Rom - Rechtzeitig zu seinem  77. Geburtstag am Sonntag machte sich Silvio Berlusconi selbst ein Geschenk: ein politisches Erdbeben. Der Cavaliere orderte die fünf Kabinettsmitglieder seiner PdL-Partei aus der Regierungskoalition zurück. Damit sorgt Berlusconi für den nächsten Eklat im Tollhaus Italien. Denn die Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta wird wohl die kommende Woche nicht überleben.

Von seiner Villa bei Mailand aus soll Berlusconi seine fünf Minister, allen voran Vizepremier Angelino Alfano, zurückgepfiffen haben. Der offizielle Grund ist der Streit um die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Doch es geht wieder mal nur um Berlusconi selbst. Denn die Koalition von Lettas Sozialdemokraten und Berlusconis PdL wackelt seit Anfang August. Seit damals dürfte der Cavaliere eigentlich keine öffentlichen Ämter mehr haben – weil er vom obersten Gericht rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Berlusconi steht unter Hausarrest.

Das Strafmaß soll nun Mitte Oktober kommen. Schon jetzt berät der Senatsausschuss, ob Berlusconi seinen Sitz im Senat räumen muss. Das ist wahrscheinlich. In dem Gremium haben die Mitte-Links- Parteien die Mehrheit, Berlusconi könnte also zum politisch Verbannten werden. Zuerst schien es, als würde der Cavaliere seinen Senatssitz tatsächlich räumen. Das kolportierte er noch vor einer Woche in einer Videobotschaft. Dann präsentierte er sich als Wendehals. Schon am Freitag drohten die PdL-Abgeordneten mit Rücktritt, sollten die Sozialdemokraten Berlusconis Rauswurf aus dem Senat zustimmen. Nun also der Abzug der PdL-Minister.

Wie geht es jetzt weiter? Wahrscheinlich ist es, dass die Regierung stürzt, obwohl Staatspräsident Giorgio Napolitano das gar nicht will – zuvor soll das Wahlrecht reformiert werden. Doch Enrico Letta stellt in der kommenden Woche im Parlament die Vertrauensfrage. Ohne die PdL wird er das Votum verlieren.

Eine Hintertüre gibt es aber noch: Letta könnte auf Abweichler aus den Reihen der Protestpartei „Fünf Sterne“ von Polit-Rebell Beppe Grillo hoffen. Letzterer ist zwar strikt gegen ein Bündnis mit den Sozialdemokraten und forderte Neuwahlen. Doch in der Protestbewegung kommt langsam Widerstand gegen den Komiker Grillo auf. Sein Führungsstil sei zu autokratisch.

Dass das fragile Band zwischen Sozialdemokraten und PdL zerschnitten ist, zeigt die Wortwahl um die Mehrwertsteuererhöhung – dem Alibi- Grund für den Abzug der PdL-Minister. Der Steuersatz soll von 21 auf 22 Prozent steigen. „Das ist eine grobe Verletzung der Absprache, die die Grundlage der Regierung ist“, wetterte Berlusconi. Letta konterte, der Rücktritt der Minister sei „verrückt“ und „unverantwortlich“. Dass die Steuer steige, habe nur „B“ zu verantworten. Auch die Presse geht mit Berlusconi hart ins Gericht. „Der Verurteilte versenkt Italien“, schrieb „Il fatto quotidiano“ über die neue Regierungskrise.

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