Regelsatz: Hartz IV, um 17 Euro hochgerechnet
BERLIN - Gefeilsche um den Regelsatz: Ministerin von der Leyen probiert verschiedene Berechnungsformeln aus – so könnten Empfänger um bis zu 17 Euro mehr pro Monat auf dem Konto haben.
376 statt 364 Euro im Monat? Oder doch nur 370 Euro? Ulrich Schneider hat für die neuesten Zahlenspiele, die vom Hartz-IV-Vermittlungsausschuss nach außen dringen, nur noch Spott übrig: „Wenn das alles stimmt, dann hat Frau von der Leyen wirklich den Basar eröffnet“, ätzt der Vorsitzende des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Zuvor waren neue Überlegungen des Bundesarbeitsministeriums bekanntgeworden. Demnach könnte der Hartz-IV-Regelsatz jetzt möglicherweise doch um bis zu 17 Euro monatlich statt wie geplant um nur 5 Euro steigen.
Variante 1: Hartz IV wird nicht mehr anhand der untersten 15 Prozent der Einkommen in Deutschland ermittelt. Zu diesen 15 Prozent gehören nämlich auch berufstätige Menschen mit Mini-Einkommen, die dieses mit Hartz IV aufstocken. Statt dessen bleiben die Aufstocker außen vor – das Ergebnis: Ein Regelsatz von 376 Euro, 12 Euro mehr als bisher vorgesehen. Die Mehrkosten für dieses Modell: 2,5 Milliarden Euro im Jahr, so FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Dafür könnte beim sogenannten Bildungspaket für Kinder, das unter anderem Zuschüsse für die Mitgliedschaft im Sportverein vorsieht, wieder gestrichen werden.
Variante 2: Nur ein Teil der Hartz-IV-Aufstocker wird aus der Berechnungsgrundlage herausgenommen. Das Ergebnis: 370 Euro im Monat, 6 Euro mehr als bisher geplant.
Die Ministerin ließ allerdings Meldungen, sie verhandle neu, eiligst dementieren. Währenddessen reagierte die Oppostion: SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig sagte, sie sei „mit der Berechnung nicht einverstanden“. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast. Die Linkspartei warnte SPD und Grüne, auf das vermeintliche Angebot von der Leyens einzugehen: Offensichtlich solle ein „fauler Deal“ eingefädelt werden, sagte Parteichef Klaus Ernst.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband reagierte frostig auf die neuesten Überlegungen. Das Ministerium suche offensichtlich nach einer Methodik, die „ins Budget passe“, sagte der Chef des Verbandes, Ullrich Schneider, zur AZ. Werde mit nachvollziehbaren Zahlen gerechnet, komme man auf einen realistischen Regelsatz von mindestens 416 Euro im Monat.
Die Mehrkosten für eine Hartz-IV-Erhöhung in diesem Umfang könnten hereingeholt werden, wenn Berlin auf unsinnige Ausgaben verzichtete, sagte Schneider. Es sei beispielsweise nicht einzusehen, warum Berlin plane, geschätzte zwei Milliarden Euro im Jahr als Betreuungsgeld an Eltern zu zahlen, die ihre Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen schicken.
Schneider kündigte an, Hartz-IV-Betroffene unter seine Fittiche zu nehmen: „Wenn wir das Gefühl haben, da wird nicht sauber gearbeitet und statt dessen ein Kuhhandel praktiziert, werden wir Klagen gegen Hartz IV bis vors Verfassungsgericht unterstützen.“
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