„Refugee Guide“: Das steht im "Flüchtlingsknigge"

München - Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat 60 000 Exemplare gedruckt, eine Hamburger Agentur sogar 137 000, ein nordrhein-westfälisches Medienhaus 70 000. Der „Refugee Guide“ ist so erfolgreich, dass er jetzt in zweiter Auflage erscheint. Erarbeitet wurde die 16-seitige Broschüre von Studenten und Doktoranden – ehrenamtlich und „in enger Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedensten Ländern“. Er soll Flüchtlingen zur „Orientierung in der ersten Zeit des Aufenthaltes“ dienen.
Hier lesen Sie einige Auszüge:
Öffentliches Leben
„Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sind übliche Grußformeln, um Leute zu begrüßen oder zu verabschieden. Alle Anwesenden zu begrüßen, ist allgemein üblich, wenn man nur eine oder wenige Personen trifft. Wenn man zum Beispiel in einen kleinen Laden oder in das Wartezimmer beim Arzt kommt, sagt man „Guten Tag“ zu den Leuten, die dort schon warten.
Lächeln wird üblicherweise nicht direkt als Flirten interpretiert, auch dann nicht, wenn man mit Fremden spricht. Die Menschen versuchen normalerweise einfach nur, freundlich zu sein.
Privatsphäre ist Menschen in Deutschland wichtig. Das kann manchmal distanziert wirken. Es ist vollkommen normal, stundenlang im Zug oder im Restaurant neben Fremden zu sitzen und nur „Guten Tag“ oder „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Genauso ziehen es einige Leute vor, alleine zu sitzen, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln.
In der Öffentlichkeit zu urinieren, kann ein Vergehen darstellen. Meist findet sich eine öffentliche Toilette in der Nähe, die man nutzen kann. In Toiletten gibt es meist Toilettenpapier, jedoch keine Mini-Dusche. Toilettenpapier wird in der Toilette entsorgt, nicht in dem Mülleimer neben der Toilette. (...) Das Händewaschen nach dem Toilettengang ist aus hygienischen Gründen üblich.
In der Öffentlichkeit (besonders im Bus und im Zug) wird es als unhöflich angesehen, laute Gespräche zu führen. Man spricht oder telefoniert eher leise, um andere Leute nicht zu stören.
Lesen Sie hier: Bade-Verhaltensregeln auf Arabisch: Die Bilanz der SWM
Persönliche Freiheiten
Jeder und jede kann sich zu seiner oder ihrer Religion bekennen – oder zu keiner. Religion wird als Privatsache angesehen, es gilt die Religionsfreiheit. Das heißt, dass man glauben darf, was man möchte – gleichzeitig wird aber auch erwartet, dass man akzeptiert, dass andere Menschen an einen anderen Gott glauben – oder an gar nichts.
In Deutschland sind öffentliche Liebesbekundungen von (heterosexuellen sowie homosexuellen) Paaren nicht ungewöhnlich. Dies geht von Händchenhalten über Umarmen und Küssen bis hin zu Kuscheln in der Öffentlichkeit. Dies ist akzeptiert und sollte nicht weiter beachtet werden.
Menschen, die im Sommer wenig bekleidet sind, gelten als normal. Dazu gehört beispielsweise das Tragen von T-Shirts und kurzen Hosen. Es ist unhöflich, diese Menschen für längere Zeit anzusehen.
Zusammenleben
Deutsche schütteln sich oft die Hände, bei der Begrüßung, beim Verabschieden oder wenn man neue Leute kennenlernt. Ist man neu in einer Gruppe, ist es üblich, zunächst jeden und jede mit einem kurzen Händeschütteln zu begrüßen. Dabei schaut man sich gleichzeitig kurz in die Augen. Sowohl Männer als auch Frauen schütteln sich gegenseitig die Hände.
Deutsche sagen oft direkt, was sie denken. Sie möchten damit nicht unhöflich sein, sondern ehrlich. Konstruktive Kritik wird als hilfreich erachtet, um sich selbst und andere zu verbessern. Vor allem im Beruf gilt dies als wichtig. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass man kritisiert wird.
Pünktlichkeit ist wichtig in Deutschland. Jemand anderen warten zu lassen, gilt als unhöflich. Wenn man zu spät zu einem Termin oder Treffen kommt, können fünf Minuten bereits als Mangel an Respekt angesehen werden. Sollte man zu spät kommen, empfiehlt es sich, die andere Person anzurufen und über die Verspätung zu informieren. Dies gilt im Arbeitsumfeld und im Freundeskreis.
Wenn man etwas angeboten bekommt, ist „Nein, danke“ eine höfliche Ablehnung. „Ja, bitte“ oder „Gerne“ bedeuten, dass man das Angebot annehmen möchte.
Gleichberechtigung
Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung ist in Deutschland verboten und kann strafrechtlich verfolgt werden. Wenn man diskriminiert wird oder sich bedroht fühlt, empfiehlt es sich, die Polizei zu rufen. Es ist niemals zulässig, mit Gewalt zu reagieren. Gewalt ist in Deutschland ebenfalls verboten.
Männer und Frauen genießen in Deutschland die gleichen Rechte. Wenn jemand darum bittet, allein gelassen zu werden, sollte man dies akzeptieren. Mitmenschen zu belästigen, ob männlich oder weiblich, ist nicht erlaubt.
Homosexualität ist Normalität in Deutschland (ein Außenminister war offen schwul). Homosexuelle Partnerschaften können legal und der Ehe ähnlich registriert werden.
Jeder und jede wählt seinen Partner oder seine Partnerin selbst und entscheidet frei, ob er oder sie diese Person heiraten will. Es ist genauso normal, unverheiratet zu sein wie verheiratet.
<strong>Lesen Sie hier: Bayern: Weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären</strong>
Müll
Deutsche sind dafür bekannt, sich sehr umweltfreundlich zu verhalten: Sie trennen ihren Müll und verwerten ihn wieder. Selten werfen sie ihren Müll einfach auf den Boden – weder in der Stadt noch in der Natur. Ist kein Mülleimer in der Nähe, so wird Müll in der Hand behalten oder aufbewahrt, bis man ihn umweltgerecht entsorgen kann, auch wenn das bedeutet, den Müll bis zum nächsten Mülleimer zu tragen.
Formalitäten
Der Umgang mit der Bürokratie ist manchmal sehr komplex und kann ineffizient wirken. Bürokratie braucht Zeit und folgt standardisierten Abläufen. Das kann frustrierend sein. Allerdings sind diese bürokratischen Prozesse für alle gleich und so gemacht, dass sie alle gleich behandeln. Bestechung anzubieten oder anzunehmen, ist eine Straftat.
Die meisten Menschen in Deutschland halten sich an die Verkehrsregeln. Sie befolgen Verkehrsschilder und halten an roten Ampeln an, auch wenn niemand in Sicht ist. Wenn es im Straßenverkehr einmal kein Verkehrsschild und keine Ampel gibt, gilt: Die Person, die von rechts kommt, hat Vorfahrt („Rechts vor links“).
Um den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, muss zunächst eine Fahrkarte an einem Fahrkartenschalter oder Fahrkartenautomaten gekauft werden. Wenn man in Busse oder Bahnen einsteigt, muss man die Fahrkarte manchmal vor der Fahrt „abstempeln“.