Rechtsterror: Union und SPD erwägen Sonderermittler
Vertreter von Union und SPD im Bundestag erwägen die Einsetzung eines Sonderermittlers, um die Fahndungspannen und mögliche Verwicklungen des Verfassungsschutzes aufzuklären.
Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die volle Aufklärung der Mordserie gefordert, die den Rechtsterroristen des "Nationalsozialistischen Untergrundes" zugerechnet wird. Zugleich mahnte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden an.
Vertreter von Union und SPD im Bundestag erwägen Medienberichten zufolge die Einsetzung eines Sonderermittlers, um die Fahndungspannen und mögliche Verwicklungen des Verfassungsschutzes aufzuklären.
Die Suche nach Unterstützern der Neonazi-Terrorzelle aus Jena läuft weiter auf Hochtouren. Die Ermittler haben neben der Hauptverdächtigen Beate Zschäpe und dem in Niedersachsen festgenommenen Holger G. mindestens zwei weitere Verdächtige im Visier. In Sachsen ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag) sogar von fünf möglichen Helfern der Gruppe die Rede.
Dabei handele sich um eine Friseuse, einen Lastwagenfahrer, ein Ehepaar und den Zwillingsbruder des Ehemanns aus Johanngeorgenstadt im Erzgebirge. Die Friseuse könnte ihre Papiere für das Trio hergegeben haben, Zschäpe habe zeitweise ihre Identität angenommen, berichtete das Blatt. Das Ehepaar werde verdächtigt, an der DVD mitgewirkt zu haben, auf der die Täter die Morde dokumentiert hatten.
Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft haben nach Medienberichten am Freitagmorgen beim hessischen Verfassungsschutz Akteneinsicht gefordert. Das Landesamt war zuletzt heftig in die Kritik geraten, weil ein Mitarbeiter der Behörde bei einem Mord der Rechtsextremisten in Kassel am Tatort gewesen war. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) kritisierte das Vorgehen der Bundesanwälte laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" (FAZ) am Freitag bei dem Sondertreffen der Innen- und Justizminister in Berlin als "feindlichen Akt".
Union und SPD im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages erwägen laut "Mitteldeutscher Zeitung", einen Sonderermittler einzusetzen, um die Pannen bei der Fahndung nach den flüchtigen Rechtsextremisten aufzuklären. Nach Informationen der FAZ will die FDP-Bundestagsfraktion die Berufung eines solchen Berichterstatters schon in der kommenden Woche beantragen.
Grüne und Linke hatten vor einigen Tagen sogar gefordert, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu prüfen. Die Überlegungen in den Koalitionsfraktionen gelten auch als Ausdruck von Kritik an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Innenpolitiker von CDU und CSU hätten sich seit einer Woche bemüht, Friedrich die Dimension der Ereignisse zu vermitteln und ihn zu entschlossenem Handeln zu bewegen, schreibt die FAZ unter Berufung auf Abgeordnete.
Bereits am Montag soll der Innenausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung über Konsequenzen aus den Vorfällen und möglichen Versäumnissen der Behörden beraten. Für Dienstag wurde eine Sonderdebatte im Bundestag zu diesem Thema angesetzt.
"Ich möchte nie wieder, dass ein Geheimdienst Vollzugsbefugnisse bekommt", versicherte Merkel in ihrer Videobotschaft. "Aber informieren müssen sich die Behörden natürlich untereinander. Hier werden wir genau hinschauen, ob wir etwas aus den Vorgängen lernen müssen."
Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg sprach sich für ein Verbot der NPD aus. Das Argument, dass man vor einem Verbotsverfahren alle V-Leute aus der NPD abziehen müsste, wies er in einem dpa-Gespräch zurück: "Das Bundesverfassungsgericht hatte beim ersten Verbotverfahren lediglich beanstandet, dass sich selbst in den Führungsgremien der Partei V-Leute befanden."
Auch Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprach sich in einem dpa-Interview dafür aus, das Risiko eines neuen Verbotsverfahrens einzugehen. Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, sieht heute bessere Chancen dafür als 2003. Er glaube nicht, dass die Politik noch einmal den Fehler gemacht habe, in den höchsten Rängen der NPD V-Leute zu platzieren, sagte Hassemer, der damals als Vorsitzender des Zweiten Senats gegen ein NPD-Verbotsverfahren gestimmt hatte, im Deutschlandradio Kultur.