Rechtsextremismus auf Staatskosten: AfD schockt den Landtag in Bayern: "Da tun sich Abgründe auf"

München - Einen Fraktionsgeschäftsführer, einen Mitarbeiter für die Bereiche Social Media und Videoschnitt sowie sechs weitere Mitarbeiter sucht die AfD derzeit im bayerischen Landtag. Bei Einstellungen scheut sich die Fraktion offenbar nicht, Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund einzustellen. Wie Recherchen des BR ergeben haben, hat die Landtagsverwaltung Zahlungen an vier Mitarbeiter von AfD-Landtagsabgeordneten zwischenzeitlich eingestellt, weil es bei diesen Hinweise auf "verfassungsfeindliche Aktivitäten" gibt.
Mitglieder der Burschenschaft Danubia München: "White Power"-Geste im bayerischen Landtag
Zwei sollen Mitglieder der Burschenschaft Danubia München sein. Einer der beiden zeigte die "White Power"-Geste in der Landtagsgaststätte, ein weiterer soll bei jener Feier einen Journalisten bedroht haben. Zwei weitere Mitarbeiter sollen der Identitären Bewegung angehören. Beides wurde vom Landesamt für Verfassungsschutz überprüft.
Ilse Aigner (CSU) hatte in einer Pressekonferenz vor einer Woche bestätigt, dass es rechtsextreme Mitarbeiter im Landtag gibt, sprach von einer Zahl kleiner als zehn. Laut BR soll es sogar noch weitere Mitarbeiter mit Kontakten zu rechtsextremistischen Bezügen geben. Das Landtagsamt bestätigte zuletzt, dort seien fünf entsprechende Abgeordneten-Mitarbeiter bekannt. Dass Rechtsextreme auf Staatskosten finanziert werden, ist für die Landtagspräsidentin schmerzlich.
Die Zahlungen für die AfD-Mitarbeiter wurden zunächst eingestellt
Nur: Derzeit fehlt noch eine rechtliche Grundlage, um die Zahlungen einzustellen. Auch im Fall der vier Mitarbeiter der AfD hat der Landtag die Gehälter laut BR wieder überwiesen und die ausgebliebenen Zahlungen ausgeglichen. Aigner hatte angegeben, ein Rechtsgutachten für solche Fälle in Auftrag gegeben zu haben.
Noch völlig offen ist, was die Mitarbeiter inhaltlich im Landtag tun. "Da ist schon insgesamt die Frage, wie viel parlamentarische Arbeit da ist und wie viel Parteiarbeit", sagt Politikprofessorin Ursula Münch der AZ. Denn gerade wegen der starken Präsenz online, beispielsweise auf Tiktok, stelle sich schon die Frage der Verhältnisse.
Wie wehrhaft darf Demokratie sein?
Es bestehe die Gefahr der "Gesinnungsschnüffelei", daher müsse man sehr vorsichtig und umsichtig vorgehen in diesem Fall. Ist die Demokratie wehrhaft genug? "Zur wehrhaften Demokratie gehört eben auch das Parteienprivileg", sagt Münch. Das bedeutet, dass auch Parteien Schutz und Rechte haben. "Nehmen wir mal den Fall an, dass die AfD in die Regierung kommt: Dann könnte sie die Oppositionsparteien auch nicht einfach verbieten." Es sei eben im Rechtsstaat so, dass dies in beide Richtungen gelte.
"Natürlich ist das ein Dilemma: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht über den Tisch gezogen werden. Aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass wir den Wesenskern dessen, was unsere freiheitliche Demokratie ausmacht, auslassen."
Demokratische Kräfte ziehen an einem Strang
Publik wurde der Bericht des BR ausgerechnet einen Tag vor einem gemeinsamen Gesetzesentwurf von Grünen, CSU, Freien Wählern und SPD, um die Debattenkultur im Landtag zu verbessern – gerade im Hinblick auf die AfD. Denn auch wenn sie oft wie die Kesselflicker streiten: Grüne und CSU sind sich in Sachen AfD recht einig. Für "nicht tragbar" hält Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, Mitarbeiter des Landtags, die rechtsextrem aktiv sind.
"Wir müssen deshalb die notwendigen gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, um den Landtag als zentralen Ort der Demokratie in Bayern besser zu schützen", sagt Schulze.
"Erschreckend" und "System AfD"
Als ein "System der AfD", gezielt rechtsextremistische Verfassungsfeinde anzustellen und von Steuergeldern zu bezahlen, sieht Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann (Grüne) die Fälle gelagert, zumal es sich nicht um Einzelfälle handle. Ebenso "erschreckend" findet das Klaus Holetschek, Fraktionschef der CSU im Landtag. "Da tun sich Abgründe auf", sagt Holetschek der AZ. Der Weg von Ilse Aigner, die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, sei der Richtige. "Klar ist für mich: Antidemokratische Kräfte haben hier nichts zu suchen", sagt Holetschek.
Ein Sprecher der AfD im Landtag, nimmt auf AZ-Anfrage keine Stellung zu den Vorwürfen, das liege an "datenschutzrechtlichen Bestimmungen sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung". Aber die AfD behält sich vor, rechtliche Schritte zu gehen, "sollte der BR einzelne Informationen in seinem Bericht auf widerrechtliche Weise erlangt haben".