Rechtliche Zweifel am Corona-Lockdown

Ab Montag gelten die neuen Einschränkungen von Bund und Ländern. Viele wollen gegen Maßnahmen klagen. Was gekippt werden könnte - und was nicht.
Lea Kramer |
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Dämmerung vor der großen Leere: Aufgrund der strengen Regeln werden erstmal nicht mehr so viele Touristen nach München kommen. F: Kneffel/dpa
Dämmerung vor der großen Leere: Aufgrund der strengen Regeln werden erstmal nicht mehr so viele Touristen nach München kommen. F: Kneffel/dpa © Kneffel/dpa

In dieser Woche haben Bund und Länder große Einschnitte für Bürger und Wirtschaft beschlossen, mit dem Ziel die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland einzudämmen. Ab kommendem Montag sollen die Maßnahmen gelten. Doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob die Vorgaben einer juristischen Prüfung standhalten. Antworten auf die drängendsten Fragen.

Corona-Maßnahmen greifen in Grundrechte ein

Um was geht es genau? Von Montag an sollen die Menschen Kontakte einschränken. Deshalb dürfen sich nur noch zwei Haushalte mit maximal zehn Personen treffen, Gastronomiebetriebe sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben den gesamten November über geschlossen. Hotels wird die Aufnahme von Touristen verboten. Schulen und Kitas sollen aber offen bleiben.

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Schon zuvor hatten Gerichte strenge Beschlüsse wie etwa das Beherbergungsverbot gekippt. Wird das erneut geschehen? In dieser Sache sind sich Experten uneins. Konsens herrscht darüber, dass die Maßnahmen stark in die Grundrechte der Menschen eingreifen und überall pauschal gelten -unabhängig von regionalen Fallzahlen.

Staatrechtler rechnet mit Klagewelle

Droht also eine Klagewelle? Seit Beginn der Pandemie gibt es mehr als 240 Gerichtsentscheidungen zum Coronavirus. "Ich gehe fest davon aus, dass es eine hohe Anzahl an Klagen geben wird und dass auch viele wie bisher in einstweiligen Rechtsschutzverfahren damit durchkommen werden", sagte der Staatsrechtler Ulrich Battis der "Osnarbrücker Zeitung".

Jurist Alexander Thiele
Jurist Alexander Thiele © LMU

Alexander Thiele vom LMU-Lehrstuhl für Öffentliches Recht schreibt in einem Gastbeitrag für die "Legal Tribune": "Sicher ist, dass die Gerichte (richtigerweise) pauschale Schließungen nicht mehr hinnehmen werden, es insoweit also angemessener und dem Ziel dienender Differenzierungen und Abstufungen bedarf."

Lockdown light bald komplett gekippt?

Ist dann der ganze "Lockdown light" hinfällig? Staatsrechtler Battis erwartet nicht, dass der gesamte Lockdown light gekippt werde. Auch ZDF-Rechtsexperte Felix Zimmermann ist dieser Meinung. "Das ein oder andere könnte gekippt werden. Flächendeckende Entscheidungen in diese Richtung nehme ich nicht an", so Zimmermann.

Was könnte problematisch werden? In der Vergangenheit war die Fremdenbeherbergung besonders umstritten. Touristen aus Risikogebieten wurde das Übernachten teils untersagt. Auch erlassene Sperrstunden wurden wieder gekippt.

"Nicht zuletzt die wohl vorgesehene Schließung der Gaststätten dürfte auf der Rechtfertigungsebene erhebliche Probleme bereiten", schreibt LMU-Jurist Thiele. Da dort die belegbaren Hinweise für besondere Verbreitungsgefahr fehlten. Da die Maßnahmen allerdings flächendeckend gelten sollen, könnte es sein, "dass viele Gerichte das durchgehen lassen", so ZDF-Jurist Zimmermann.

Weiteres Vorgehen der Bundesländer

Wie wollen die einzelnen Bundesländer vorgehen? Die Regierungen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und dem Saarland wollen die Beschlüsse von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten ins jeweilige Landesrecht umsetzen. In Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hatten die Landesregierungen entsprechende Verordnungen bereits am Donnerstag erlassen.

Wäre es nicht Zeit, Parlamente entscheiden zu lassen? In Notlagen ist zunächst die Exekutive zuständig. Da diese inzwischen Monate andauere, sollten "die beschlossenen Maßnahmen möglichst auf die Gesetzesebene gehoben werden", gibt Rechtler Thiele zu bedenken.

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32 Kommentare
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  • Perlacher am 31.10.2020 12:15 Uhr / Bewertung:

    Wer glaubt, man müsste Bistros und Wirtshäuser zum Zweck der Eindämmung der Pandemie schließen, welche sich maximal auf alle Verbote und Gebote der Politik eingestellt hatten, der glaubt auch an den Weihnachtsmann! Letztlich werden darüber Gerichte entscheiden! Wir leben immer noch in einer Demokratie!

  • Wolff am 31.10.2020 16:58 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Perlacher

    Es drängt sich der Eindruck auf, Dass nicht die Infektionszahlen sonder die Zahl der nachverfolgbaren/nachzuverfolgenden Kontakte reduziert werden soll. So wird alles geschlossen, wo Kontakte dokumentiert sind und der anonyme ÖPNV beeilt sich zu versichern, Dass dort kein (!) erhöhtes Risiko bestünde. Es gibt andere Möglichkeiten als diesen Lockdown, z. B. eine anständige, nicht durch Datenschutz kastrierte App und eine vernünftige Digitalisierung der Gesundheitsämter. Und dann wird nur getestet, wer eindeutige Symptome oder eine App-Warnung vorweisen kann.

  • Leserin am 31.10.2020 01:30 Uhr / Bewertung:

    Ich mag hier schon gar nicht mehr kommentieren und versuche es trotzdem noch einmal. Das Problem sind doch nicht die Regeln. Das Problem ist der Virus. Ob ich jetzt nicht essen gehe, weil zu ist oder nicht essen gehe weil ich eine Infektion fürchte, ist für die Gastronomie doch egal. Ich sehe durch die Regeln keine Einschränkung, weil ich all das was verboten ist ohnehin nicht tun möchte, um eine Ansteckung zu vermeiden.

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