Rechtliche Zweifel am Corona-Lockdown
In dieser Woche haben Bund und Länder große Einschnitte für Bürger und Wirtschaft beschlossen, mit dem Ziel die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland einzudämmen. Ab kommendem Montag sollen die Maßnahmen gelten. Doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob die Vorgaben einer juristischen Prüfung standhalten. Antworten auf die drängendsten Fragen.
Corona-Maßnahmen greifen in Grundrechte ein
Um was geht es genau? Von Montag an sollen die Menschen Kontakte einschränken. Deshalb dürfen sich nur noch zwei Haushalte mit maximal zehn Personen treffen, Gastronomiebetriebe sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben den gesamten November über geschlossen. Hotels wird die Aufnahme von Touristen verboten. Schulen und Kitas sollen aber offen bleiben.
Schon zuvor hatten Gerichte strenge Beschlüsse wie etwa das Beherbergungsverbot gekippt. Wird das erneut geschehen? In dieser Sache sind sich Experten uneins. Konsens herrscht darüber, dass die Maßnahmen stark in die Grundrechte der Menschen eingreifen und überall pauschal gelten -unabhängig von regionalen Fallzahlen.
Staatrechtler rechnet mit Klagewelle
Droht also eine Klagewelle? Seit Beginn der Pandemie gibt es mehr als 240 Gerichtsentscheidungen zum Coronavirus. "Ich gehe fest davon aus, dass es eine hohe Anzahl an Klagen geben wird und dass auch viele wie bisher in einstweiligen Rechtsschutzverfahren damit durchkommen werden", sagte der Staatsrechtler Ulrich Battis der "Osnarbrücker Zeitung".

Alexander Thiele vom LMU-Lehrstuhl für Öffentliches Recht schreibt in einem Gastbeitrag für die "Legal Tribune": "Sicher ist, dass die Gerichte (richtigerweise) pauschale Schließungen nicht mehr hinnehmen werden, es insoweit also angemessener und dem Ziel dienender Differenzierungen und Abstufungen bedarf."
Lockdown light bald komplett gekippt?
Ist dann der ganze "Lockdown light" hinfällig? Staatsrechtler Battis erwartet nicht, dass der gesamte Lockdown light gekippt werde. Auch ZDF-Rechtsexperte Felix Zimmermann ist dieser Meinung. "Das ein oder andere könnte gekippt werden. Flächendeckende Entscheidungen in diese Richtung nehme ich nicht an", so Zimmermann.
Was könnte problematisch werden? In der Vergangenheit war die Fremdenbeherbergung besonders umstritten. Touristen aus Risikogebieten wurde das Übernachten teils untersagt. Auch erlassene Sperrstunden wurden wieder gekippt.
"Nicht zuletzt die wohl vorgesehene Schließung der Gaststätten dürfte auf der Rechtfertigungsebene erhebliche Probleme bereiten", schreibt LMU-Jurist Thiele. Da dort die belegbaren Hinweise für besondere Verbreitungsgefahr fehlten. Da die Maßnahmen allerdings flächendeckend gelten sollen, könnte es sein, "dass viele Gerichte das durchgehen lassen", so ZDF-Jurist Zimmermann.
Weiteres Vorgehen der Bundesländer
Wie wollen die einzelnen Bundesländer vorgehen? Die Regierungen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und dem Saarland wollen die Beschlüsse von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten ins jeweilige Landesrecht umsetzen. In Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hatten die Landesregierungen entsprechende Verordnungen bereits am Donnerstag erlassen.
Wäre es nicht Zeit, Parlamente entscheiden zu lassen? In Notlagen ist zunächst die Exekutive zuständig. Da diese inzwischen Monate andauere, sollten "die beschlossenen Maßnahmen möglichst auf die Gesetzesebene gehoben werden", gibt Rechtler Thiele zu bedenken.
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