Rechte Gewalt: Opfer zweiter Klasse

Der Europarat fordert von Deutschland mehr Engagement gegen Fremdenhass. Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über die unterschätzten Folgen rechter Gewalt.
von  Matthias Maus
"Seit Auffliegen der NSU-Mörder hat sich wenig geändert. (Symbolbild)
"Seit Auffliegen der NSU-Mörder hat sich wenig geändert. (Symbolbild) © dpa

München - Neulich in Deutschland: Acht Neonazis belagern ein Paar, drohen mit Vergewaltigung und Mord. Die Polizei schafft die Bedrohten aus ihrer Wohnung weg, verhaftet nicht die Täter: Die kommen mit Bewährung davon, sie seien halt besoffen gewesen.

Der Fall ist nicht exemplarisch. Beispielhafter ist schon die reflexhafte Schnelligkeit, mit der die Öffentlichkeit noch immer bereit ist, rechtsradikale Motive zu verniedlichen, mit der „Einzelfälle“ als „tragisch“ zu den Akten gelegt werden.

Es gibt in Deutschland noch immer eine Kultur des Verdrängens, des „Nicht-so genau-wissen-Wollens", des Wegsehens. Das hat sich gut zwei Jahre nach dem Auffliegen der braunen Mörderbande des NSU nicht geändert. Nur zur Erinnerung: Über Jahre schauten die Ermittler nach zehn Morden, davon neun mit derselben Waffe, überall hin, nur nicht nach rechts.

Dabei sind die Fakten eindeutig genug, und der Europarat tut gut daran, Deutschland zu mehr Arbeit gegen Fremdenhass aufzufordern. Bemerkenswert unbekannt ist die Statistik, nach der von 1990 bis 2013 genau 152 Menschen durch rechte Gewalttäter ums Leben kamen. Man stelle sich nur mal vor, die Gewalt von links wäre vergleichbar tödlich gewesen. In welchem Zustand wäre unsere Demokratie dann?

Kaum zu glauben. Aber offenbar sind noch immer Kinder in Asylbewerberheimen, Obdachlose, Schwule oder Migranten Opfer zweiter Klasse. Das kann, das darf nicht so bleiben.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.