Raus aus Afghanistan?

Kehrtwende von Frank-Walter Steinmeier: Jetzt will er einen Abzug bis 2013 – vor wenigen Tagen fand er noch 2015 zu früh. Offizieller Bericht: 30 tote Zivilisten unter den Opfern von Kundus
von  Abendzeitung
Die Sicherheitslage ist immer prekärer: Bundeswehr-Soldaten in Kundus umarmen sich nach ihrer sicheren Rückkehr ins Feldlager.
Die Sicherheitslage ist immer prekärer: Bundeswehr-Soldaten in Kundus umarmen sich nach ihrer sicheren Rückkehr ins Feldlager. © dpa

BERLIN/KABUL - Kehrtwende von Frank-Walter Steinmeier: Jetzt will er einen Abzug bis 2013 – vor wenigen Tagen fand er noch 2015 zu früh. Offizieller Bericht: 30 tote Zivilisten unter den Opfern von Kundus

Sinneswandel von Frank-Walter Steinmeier: Bisher hatte er einen konkreten Abzugstermin für Afghanistan immer ausdrücklich abgelehnt – jetzt legt er selber einen vor, und zwar einen ziemlich ehrgeizigen. Vor Ort ist die Lage prekärer denn je: Am Wochenende gab es 90 Tote. Und der offizielle afghanische Untersuchungsbericht beziffert die Zahl der toten Zivilisten in Kundus nun auf 30.

Der „Spiegel“ berichtet von einem Zehn-Punkte-Plan aus dem Außenministerium, der von Steinmeier abgesegnet sein soll: kompletter Abzug bis 2013, Auflösung des ersten Bundeswehr-Standortes 2011. Dazu brauche man „verbindliche Ziele“, die nächste Afghanistan-Konferenz dürfe sich nicht mehr mit „vagen Zielmarken“ begnügen. Vor allem müsse bis dahin die Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte massiver als bisher vorangetrieben werden, so das Steinmeier-Papier.

"Das kann von Falschen als Ermutigung verstanden werden"

Bis vor kurzem klang das noch ganz anders aus dem Mund des Außenministers und SPD-Kanzlerkandidaten: Als Altkanzler Gerhard Schröder Anfang September den Termin 2015 ins Spiel brachte, sagte Steinmeier, er halte diesen Zeitraum für zu kurz – und er fände es grundsätzlich falsch, sich auf ein Datum festzulegen: „Eine konkrete Jahreszahl könnte in Afghanistan von den Falschen als Ermutigung verstanden werden.“

Am Wochenende gab es wieder zahlreiche Tote – insgesamt über 90. Bei Anschlägen von Taliban starben 20 Zivilisten. Die Taliban griffen außerdem einen militärisch begleiteten Hilfskonvoi an, dabei starben drei amerikanische und sieben afghanische Soldaten. Im folgenden Gefecht kamen 50 Aufständische ums Leben. Bei Gefechten am Bundeswehr-Standort Kundus gab es 18 Tote: sieben afghanische Soldaten und elf Taliban.

"Jede andere Truppe hätte genauso gehandelt"

Gestern wurde nun auch der offizielle Bericht der afghanischen Regierung über das von der Bundeswehr befohlene Bombardement veröffentlicht: Danach starben 69 Taliban und 30 Zivilisten, so Kommissionsmitglied Mohammadullah Baktasch. Er verteidigte die Bundeswehr: „Jede andere Truppe hätte genauso gehandelt. Die Verantwortung tragen definitiv die Taliban.“ Er betonte, dass der Angriff mitten in der Nacht und drei Kilometer vom nächsten Haus entfernt stattgefunden hat. Die Berichte der Behörden vor Ort und der Nato gehen allerdings von niedrigeren Totenzahlen als die genannten 109 aus – nämlich von etwa 70. Da die Opfer verbrannt und längst begraben sind, wird die Aufklärung schwierig.

Gleichzeitig hat sich erstmals der Bundeswehr-Kommandeur zu Wort gemeldet, der Angriff befohlen hatte: „In den mehr als fünf Monaten habe ich eine große Verantwortung getragen, die mir mehrfach schwierige Entscheidungen abgefordert hat. Ich habe mir jede einzelne dieser Entscheidungen niemals leicht gemacht, um sie danach vor meinen Soldaten, den afghanischen Menschen und meinem Gewissen verantworten zu können“, so Oberst Georg Klein. Er begrüßte die eingeleitete Untersuchung.

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