Raketenangriffe auf Kiew: Gebäude in Flammen, Tausende auf der Flucht

Der russische Angriff erschüttert die Ukraine, Präsident Selenskyj ordnet eine allgemeine Mobilmachung an. In Kiew wird ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen.
von  AZ/dpa
Menschen sitzen in einer U-Bahn-Station und nutzen diese als Bombenschutzraum. Russische Truppen haben ihren erwarteten Angriff auf die Ukraine gestartet.
Menschen sitzen in einer U-Bahn-Station und nutzen diese als Bombenschutzraum. Russische Truppen haben ihren erwarteten Angriff auf die Ukraine gestartet. © Emilio Morenatti/AP/dpa

Kiew - An Tag zwei des russischen Angriffs meldet die Ukraine Raketenbeschuss auf die Hauptstadt Kiew und schwere Gefechte nordwestlich der Stadt. Unter anderem wurde ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen, wie die Stadtverwaltung am Freitagmorgen mitteilte.

Ukrainischer Außenminister Kuleba fordert: "Schmeißt Russland aus allem raus"

"Schreckliche russische Raketenangriffe auf Kiew", twitterte Außenminister Dmytro Kuleba und zog eine Parallele zum Angriff durch Nazi-Deutschland 1941.

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Der Minister zeigte sich trotz der massiven Angriffe demonstrativ optimistisch: "Die Ukraine hat dieses Übel besiegt und wird dieses besiegen." Kuleba forderte erneut schärfere Sanktionen gegen Russland und Kremlchef Wladimir Putin: "Stoppt Putin. Isoliert Russland. Trennt alle Verbindungen. Schmeißt Russland aus allem raus."

Bericht: Gefechte zwischen ukrainischen und russischen Truppen

Ukrainische Truppen liefern sich nach Angaben des Generalstabs heftige Gefechte mit russischen Angreifern im Kiewer Gebiet. In Iwankiw rund 80 Kilometer nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt hätten sich Fallschirmjäger einer "überwältigenden" Anzahl russischer Truppen entgegengestellt, die mit gepanzerten Fahrzeugen vorrückten. Eine Brücke sei zerstört worden. Auch auf dem strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew werde gekämpft, teilte der Generalstab weiter mit. Ukrainische Truppen hielten auch dort Stand.

Auch aus anderen Orten wie der Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine wurden Kämpfe und Angriffe gemeldet.

Explosionen und Feuer in Kiew

Unter anderem wurde ein mehrstöckiges Wohnhaus am Ostufer des Flusses Dnipro getroffen, in dem Feuer ausbrach. Dort seien Trümmer einer Rakete eingeschlagen, teilte die Stadtverwaltung auf Telegram mit. Drei Menschen seien verletzt worden. Dort sei es ukrainischen Kräften gelungen, einen russischen Flugapparat abzuschießen, schrieb ein Berater des ukrainischen Innenministers.

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Bürgermeister Vitali Klitschko veröffentlichte im sozialen Netzwerk Telegram ein Video, das Brände in mehreren Etagen des Gebäudes zeigte. Feuerwehrleute waren vor Ort. Einer der Verletzten sei in einem kritischen Zustand, schrieb er.

In der strategisch wichtigen ukrainischen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer wurden nach Angaben der Stadtverwaltung 17 große Hochhäuser durch Beschuss beschädigt. Die Stromversorgung sei teilweise ausgefallen, die Wasserversorgung funktioniere hingegen. 23 verletzte Einwohner der Stadt sowie 23 verletzte Soldaten seien in Kliniken aufgenommen worden.

Am Donnerstag hatte Russland nach ukrainischen Angaben das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl erobert.

Präsident Selenskyj: "Bleibe in der Hauptstadt"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj organisiert nach eigenen Worten aus Kiew heraus den Widerstand gegen den Angriff russischer Truppen. "Ich bleibe in der Hauptstadt, bleibe bei meinem Volk", sagte er in der Nacht auf Freitag in einer Videobotschaft.

Der 44-jährige Staatschef und frühere Fernsehkomiker trug ein braunes T-Shirt; gefilmt wurde er an einem nicht identifizierbaren Ort.

Der ukrainische Grenzschutz berichtet währenddessen von Todesopfern durch Raketenbeschuss auf einen seiner Posten im Süden des Landes am Asowschen Meer. Dabei habe es in der Nacht auf Freitag mehrere Tote und Verletzte gegeben, teilte die Behörde auf Facebook mit. Der Ort Primorskyj Posad liegt an der Küste zwischen der von Russland annektierten Halbinsel Krim und dem ostukrainischen Separatistengebiet. Das ukrainische Militär geht davon aus, dass die russische Armee einen Korridor zwischen beiden Gebieten erobern will.

137 Tote am ersten Tag

Die ukrainische Armee habe am ersten Tag der russischen Invasion 137 Soldaten verloren, sagte Selenskyj. Er nannte sie Helden. 316 Soldaten seien zudem verletzt worden. Die russischen Angriffe aus mehreren Richtungen hatten am Donnerstagmorgen begonnen. "Heute hat Russland das gesamte Gebiet der Ukraine angegriffen. Und heute haben unsere Verteidiger sehr viel geleistet", sagte Selenskyj.

Angaben über zivile Opfer blieben spärlich. Im Gebiet Charkiw an der Ostgrenze seien 23 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden, teilte Verwaltungschef Oleg Sinegubow nach Angaben der Agentur Unian mit.

Selenskjy mutmaßte, dass der russische Angriff ihn stürzen solle. "Nach unseren Informationen hat mich der Feind zum Ziel Nr. 1 erklärt, meine Familie zum Ziel Nr. 2", sagte er. Er beklagte, dass keiner seiner internationalen Gesprächspartner eine Aufnahme der Ukraine in die Nato befürwortet habe. So sei die Ukraine auf sich allein gestellt. Auch die US-Regierung sah Selenskyj als ein "Hauptziel für russische Aggressionen". Er verkörpere "in vielerlei Hinsicht die demokratischen Bestrebungen und Ambitionen der Ukraine und des ukrainischen Volkes", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price dem Sender CNN.

Allgemeine Mobilmachung in Ukraine angeordnet

Der ukrainische Präsident hatte am späten Donnerstagabend eine allgemeine Mobilmachung angeordnet, die für 90 Tage gelten soll und die Einberufung von Wehrpflichtigen und Reservisten vorsieht. Schon vorher hatte er eine Teilmobilmachung von Reservisten befohlen. "Wir müssen operativ die Armee und andere militärische Formationen auffüllen", begründete er seine Entscheidung. Bei den Territorialeinheiten werde es zudem Wehrübungen geben. Wie viele Männer betroffen sein werden, sagte der 44-Jährige nicht.

Nach ukrainischen Behördenangaben dürfen männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht verlassen. Man werde sie nicht über die Landesgrenze lassen, sagte der Leiter der ukrainischen Zollbehörde in Lemberg, Danil Menschikow. Er bat die Menschen, keine Panik zu verbreiten und nicht zu versuchen, eigenständig die Landesgrenze zu überqueren.

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