Quo vadis, Ampel? Auftrag: Anpacken

Arbeitsminister Hubertus Heil ist fast am Ziel. Schon am Freitag soll seine SPD das Trauma der Arbeitsmarktreformen ihres Altkanzlers Gerhard Schröder hinter sich lassen. Aus Hartz-IV würde das Bürgergeld.
Heil: "Wir haben eine Krise"
"Ich bin zuversichtlich, dass es diese Woche gelingen kann", sagte Heil gestern auf einem Podium des Arbeitgeberverbandes BDA. Der Minister wurde zum gefeierten Therapeuten der Partei. "Wir haben eine Krise. In der müssen wir schauen, die Gesellschaft zusammenzuhalten", begründete Heil noch einmal den Ausbau der Grundsicherung.
Streit zwischen Arbeitsminister und Arbeitgeberpräsident
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fetzte sich dann ordentlich mit dem Arbeitsminister, dem er bei der Begrüßung als "lieben Hubertus Heil" geschmeichelt hatte. "Das ist eine schallende Ohrfeige für alle Menschen, die jeden Morgen zur Arbeit gehen", beklagte Dulger. Er lieferte sich mit dem lieben Hubertus ein rhetorisches Scharmützel darüber, ob sich Arbeit nach der Reform noch lohne.
Wo wird zukünftig investiert?
Dem Schlagabtausch der beiden Herren hörte BMW-Personalchefin Ilka Horstmeier höflich zu, um plötzlich dazwischenzugehen. "Es geht jetzt um die Frage, wo wird zukünftig investiert", erklärte die Managerin. Dass die Antwort auf die Frage Deutschland heißt, daran hat Horstmeier gravierende Zweifel.

BMW-Personalchefin sieht Reihe von Problemen
Sie sieht mehrere große Probleme, die dringend von der Ampel-Koalition angepackt werden müssen. Der Ausbau von Windparks, Solarfeldern und Stromleitungen kommt zu langsam voran, Energie ist im internationalen Vergleich zu teuer, die Sozialsysteme drohen wegen der alternden Gesellschaft unbezahlbar zu werden und Arbeitskräfte fehlen überall. Das Ampel-Bündnis steckt bei den ersten beiden Problemen mitten in der Arbeit.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Dutzende Verordnungen und Gesetze gemacht, um Tempo bei den Erneuerbaren aufzunehmen. Die wichtigen greifen aber erst mit dem Jahreswechsel, bislang lahmt der Zubau wie in den vergangenen Jahren.
Vorstellungen für das Zuwanderungsgesetz
Die Strom- und Gaspreisbremsen stehen kurz vor der Verabschiedung, aber Horstmeier hält selbst die subventionierten Preise für zu hoch, um mit den USA, Frankreich und China mithalten zu können. Arbeitsminister Heil verspricht den Unternehmern, noch in diesem Jahr seine Vorstellungen für das Zuwanderungsgesetz zu präsentieren.
Rentenreform wird verschoben
Die Rentenreform ist derweil in die Zukunft verschoben. "Mich stört, dass wir nicht mit der gleichen Verve über die großen Zukunftsthemen diskutieren, wie über die soziale Absicherung", sagte die BMW-Arbeitsdirektorin. Das Unternehmerlager ist kurz vor dem ersten Geburtstag des Ampel-Bündnisses unzufrieden mit SPD, Grünen und FDP. Die Unzufriedenheit aus den Jahren unter der Großen Koalition setzt sich fort.
Abage an die 25-Stunden-Woche
Auf dem Lieferschein der Ampel stehe bislang zu wenig drauf, kritisierte Arbeitgeberpräsident Dulger. Hubertus Heil hatte immerhin noch eine Ansage dabei, die den Frust lindern könnte, indem er der Forderung des SPD-Nachwuchses nach einer 25-Stunden-Woche eine Absage erteilte. "Ich halte nichts davon. Das halte ich für eine Quatschdebatte."

"Keiner traut sich an die Reform des Systems"
Dass in Deutschland länger statt kürzer gearbeitet werden müsste, und das auch von Frauen, zeigt der demografische Wandel. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass beides gelingt, weil Kindergartenplätze fehlen und Deutsch keine Weltsprache ist. Womit sich wieder die Frage nach längeren Arbeitszeiten und späterer Rente stellt. "Jeder in Berlin kennt die Zahlen, aber keiner traut sich an die Reform des Systems", sagte ein ernüchterter BDA-Chef.