"Polizeibekannte Intensivtäter" – Statistiken zeigen: So kriminell sind Geflüchtete wirklich

München - Glaubt man Konstantin G., war es schlicht ein Hilferuf. "Jeden Tag kommen zu uns schwarz gekleidete Männer, alle aus den Asylwohnheimen in Regensburg. Machen Rucksäcke und Taschen voll, gehen ohne die Ware zu bezahlen, durch den Eingang wieder raus", schrieb der Marktleiter eines Regensburger Edekas bei Facebook. Der mittlerweile gelöschte Post wurde im Netz massenhaft geteilt. Einzelne Kommentatoren warfen G. daraufhin Rassismus vor, weil er Aussagen zur mutmaßlichen Herkunft der Täter machte.
G. hatte behauptet, zumindest unter den Dieben, die man in seinem Markt erwische, komme ein sehr großer Teil aus den Asyleinrichtungen und vor allem aus Maghreb-Staaten – hierzu zählen Algerien, Tunesien und Marokko. Unstrittig ist: Laut Regensburger Polizei gab es einen Anstieg von Diebstählen im gesamten Stadtgebiet – vor allem am Bahnhofsgebäude und im Donaueinkaufszentrum, wo sich auch der betroffene Edeka befindet. Dort hat nach Behördenangaben die Hälfte aller Tatverdächtigen einen tunesischen Migrationshintergrund. Sie leben in der Regel im Regensburger Ankerzentrum.
Unstrittig ist zudem: Eine kleine Gruppe nordafrikanischer Straftäter macht manchen Ladenbetreibern der Domstadt das Leben schwer. In den Sozialen Medien behaupten nun viele, es gebe ein generelles bundesweites Problem mit Ausländer- oder zumindest mit Flüchtlingskriminalität. Doch stimmt das wirklich?
Kriminalstatistik: Ausländer mehr als doppelt so oft verdächtigt
Klar ist: 14 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen hatten 2022 einen ausländischen Pass. Ihr Anteil unter den Tatverdächtigen über alle Deliktgruppen betrachtet lag jedoch im selben Jahr laut Polizeilicher Kriminalstatistik bei fast 32 Prozent – im Schnitt führte die Ermittlungsbehörden sie demnach mehr als doppelt so oft als Verdächtige. Der renommierte Kriminologe Christian Pfeiffer verweist jedoch darauf, dass "Fremde weit häufiger bei der Polizei angezeigt werden als Einheimische". Dies ergaben diverse Studien.
Kriminologen verweisen zudem auf demografische Aspekte. So werden etwa Angehörige ärmerer oder bildungsferner Schichten häufiger kriminell als der Durchschnitt – eine große Rolle spielen auch Alter und Geschlecht: "Junge Männer begehen weit häufiger Straftaten", sagt Pfeiffer, der viele Jahre lang das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) leitete, der AZ. Sie testeten Grenzen aus.
Dem Bericht des Bundeskriminalamtes "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" zufolge waren 2021 rund sieben Prozent aller registrierten Tatverdächtigen "Zuwanderer" – ausländerrechtliche Verstöße sind dabei herausgerechnet. Das BKA definiert den Begriff allerdings anderes als die Statistikämter. Die Bundesbehörde zählt hierzu Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Geduldete.
Ukrainische Flüchtlinge sind selten kriminell
Das BKA ging für 2021 von 1,9 Millionen "neu registrierten Asylsuchenden und aufhältigen Geflüchteten" in Deutschland aus – dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 2,3 Prozent. Demnach waren "Zuwanderer" gut dreimal so häufig Tatverdächtige wie die restliche Bevölkerung. 2022 fielen Flüchtlinge dagegen weit weniger negativ in der Kriminalstatistik auf: Das BKA ging von 3,1 Millionen hier lebenden "Zuwanderern" aus.
Daraus ergibt sich rechnerisch ein Bevölkerungsanteil von 3,7 Prozent. Zugleich waren Zuwanderer in 7,4 Prozent der angezeigten Straftaten tatverdächtig – also doppelt so häufig wie der Schnitt der Bevölkerung. Diese positive Entwicklung hängt damit zusammen, dass die über eine Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlinge nur selten kriminell werden. Dies liegt auch daran, dass unter ihnen deutlich mehr Frauen und Kinder als Männer sind.
Zuwanderer aus Georgien, Moldau, Gambia und Nigeria werden dagegen im Durchschnitt weit häufiger straffällig. Besonders krass ist das Missverhältnis bei Asylbewerbern aus den Maghreb-Staaten: Sie machen zwar nur 0,6 Prozent aller Zuwanderer aus – sind jedoch in 8,5 Prozent aller Delikte tatverdächtig. Zwar stammt nur gut jeder tausendste Zuwanderer aus Tunesien, sie sind jedoch für fast jede fünfzigste bei der Polizei registrierte Straftat mutmaßlich verantwortlich. Algerier sind in knapp vier Prozent aller Delikte tatverdächtig – dieser Wert ist fast 20-mal höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Bei den Marokkanern sind es kaum weniger.
Mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen aus den Maghreb-Staaten sind wegen mehrerer Delikte polizeibekannt – bei vielen handelt es sich um Intensivtäter. Syrer sind dagegen weniger kriminell als der Durchschnitt aller Zuwanderer. Einer Erhebung von 2017 zufolge sind anerkannte Flüchtlinge weniger kriminell als die hier lebende Durchschnittsbevölkerung. Dies liegt Kriminologen zufolge auch daran, dass sie ihre Bleibeperspektive nicht verlieren wollen.
Der Großteil der Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten hat dagegen fast keine Chance, einen dauerhaften Schutzstatus zu bekommen. "Und Menschen mit geringer Bleibeperspektive sind häufiger kriminell", sagt Pfeiffer. Dies liege nicht zuletzt daran, dass sie keine Möglichkeit hätten, hier zu arbeiten.
Kriminologe: "Männer aus Nordafrika haben häufiger Vorerfahrung mit Kriminalität"
Der Kriminologe Christian Walburg von der Uni Münster analysierte 2023: "Die in der Statistik auffälligen jungen Männer, die aus Nordafrika gekommen sind, haben auch dort eher am Rand der Gesellschaft gelebt und häufiger Vorerfahrungen mit Kriminalität mitgebracht."
Immer wieder machen der Polizei gezielt aus Nordafrika zur Verübung von Straftaten einreisende Banden Probleme. In der Union hält man es für zentral, die Dauer der Asylverfahren weiter zu verkürzen. "Und die Maghreb-Staaten müssen endlich zu sicheren Drittstaaten erklärt werden", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger der AZ. Es gilt dann die sogenannte Regelvermutung, dass keine Verfolgungsgefahr vorliegt. Die Verfahren dauern oft kürzer.
Bislang blockieren die Grünen diesen Schritt. Sie verweisen auf die schwierige Menschenrechtslage in den drei Ländern. Straubinger fordert zudem, dass die Ampel Tunesien und Algerien dazu bringen müsse, schneller ausreisepflichtige Flüchtlinge aufzunehmen. Doch auch der Freistaat ist in der Pflicht: Vielerorts in Bayern wurden Polizeidienststellen dichtgemacht. Werden die Beamten gerufen, dauert es oft, bis sie am Tatort eintreffen.