Polizei startet Razzia bei radikalen Islamisten

Deutschlandweit sind Privatwohnungen sowie Verlags- und Vereinsräume durchsucht worden. Insgesamt neun radikale Islamisten sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet sowie gezielt Hass-Propaganda verbreitet haben. Die Polizeiaktion war von der Münchner Justiz angeordnet worden.
von  Abendzeitung
Das inzwischen geschlossene Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm
Das inzwischen geschlossene Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm © dpa

Deutschlandweit sind Privatwohnungen sowie Verlags- und Vereinsräume durchsucht worden. Insgesamt neun radikale Islamisten sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet sowie gezielt Hass-Propaganda verbreitet haben. Die Polizeiaktion war von der Münchner Justiz angeordnet worden.

In mehreren Bundesländern haben Ermittler am Mittwoch Wohnungen, Vereins- und Verlagsräume durchsucht. Im Visier der Fahnder sind neun mutmaßliche Islamisten, den die Münchner Staatsanwaltschaft die Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung vorwirft. Festnahmen habe es nicht gegeben, erklärte Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um deutsche Staatsangehörige im Alter zwischen 25 und 47 Jahren, von denen die meisten aus Einwandererfamilien stammen. Ihnen wird vorgeworfen, gezielt Muslime und Deutsche, die zum Islam konvertiert sind, zu islamisieren und radikalisieren. Die Gruppe stehe dabei auch im Verdacht, dschihadistische Aktivitäten im In- und Ausland zu fördern.

Wohnungen, Verlags- und Vereinsräume durchsucht

Insgesamt wurden 16 Privatwohnungen sowie Vereins- und Verlagsräume in Neu-Ulm, Ulm, Sindelfingen, Bonn, Berlin und Leipzig von etwa 130 Beamten nach Beweismitteln durchsucht, zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt. In Berlin wurden die Räume des Verlags As-Sunna durchsucht, in Leipzig verdächtige Vereinsräume. Die Ermittler suchten strafrechtlich relevante Publikationen und Erkenntnisse darüber, wie diese hergestellt werden.

Die Aktion stand in Zusammenhang mit den Aktivitäten des inzwischen geschlossenen «Multi-Kultur-Hauses» (MKH) im bayerischen Neu-Ulm, das als einer der Treffpunkte der islamistischen Szene galt. Den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge soll sich die Gruppe seit 2005 ausgehend vom Multi-Kultur-Haus zusammengefunden haben. Inzwischen wird ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ihr Ziel soll gewesen sein, Muslime und zum Islam übergetretene Deutsche zu radikalisieren. Durch Verbreitung radikaler Literatur, Audio- und Videomedien, Islamseminare und Internetauftritte versuche die Gruppe, ihre Ziele zu erreichen. Die Beschuldigten - darunter auch zwei Imame - sollen im Internet und mit «Islam-Seminaren» versucht haben, junge Islam-Gläubige zum bewaffneten Krieg (Dschihad) anzustacheln. Zusätzlich stehen die Beschuldigten im Verdacht der Volksverhetzung. Sie sollen eine freiheitlich orientierte Lebensweise und die freiheitlich demokratischen Grundordnung radikal ablehnen. Wesentliche Bestandteile ihrer Ideologie seien auch Intoleranz und Gewalt gegen «Ungläubige» sowie der Tod im Heiligen Krieg.

Hass-Aufrufe in Moscheen

Auf die progagandistischen Aktivitäten militanter Islamisten im Internet wies am Mittwoch auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hin. Bei der Vorstellung des niedersächsischen Verfassungsschutzberichtes in Hannover sagte er, von islamischen Extremisten gehe die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland aus. Das Netz sei ein virtuelles militärisches Ausbildungslager für Islamisten. Der Verfassungsschutz in Niedersachsen habe zudem festgestellt, dass Predigten in Moscheen mit dem Aufruf beendet worden seien, die Feinde des Islams zu vernichten. Gegen zwei Islamisten habe die niedersächsische Polizei im vergangenen Jahr Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingeleitet.

Erster Kontakt mit Radikalen über das Internet

Auch Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hält das Internet nach wie vor für das zentrale Instrument des islamischen Terrorismus zur Propagandaverbreitung. Vor allem bei der Radikalisierung junger Islamisten spiele es eine wesentliche Rolle, sagte Fromm am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. «Das ist ein Instrument, eine Möglichkeit, ein Medium, was gerade junge Leute natürlich sehr intensiv nutzen, und sie kommen dort an Dinge, an die sie sonst so ohne weiteres zu Hause nicht kommen würden», sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Bei vielen erfolge die erste Berührung mit radikalen Ideen im Netz. Positiv äußerte sich Fromm jedoch über die Möglichkeiten seiner Behörde zur Kontrolle entsprechender Seiten. Trotz der Fülle an Websites gelinge dem Verfassungsschutz eine Überwachung des Internets, sagte er in dem Hörfunkinterview.

Die wichtigsten Terrororganisationen bedienten sich zur Verbreitung ihrer Propaganda ganz bestimmter Provider, «die wir kennen und die wir natürlich permanent im Auge behalten. Das heißt, wenn irgendeine Führungsfigur von Al Kaida irgendetwas Neues von sich gibt, haben wir das gewissermaßen in Echtzeit und können es unmittelbar bewerten: Was bedeutet das gegebenenfalls für die Sicherheitslage in Deutschland?» (nz/dpa/AP)

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