Peterchens Maut-Fahrt - Ramsauer wird ausgebremst

Deutschlands neuer Verkehrsminister will die Autofahrer zur Kasse bitten – und wird von der Kanzlerin ausgebremst. Die CSU will durch die Maut die Spritpreise senken. Ist das realistisch?
Schlingerkurs auf der Autobahn: Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ist mit einem Vorstoß zur Pkw-Maut vorgeprescht. Dann gab es mahnende Worte aus dem Off, und er zog die Bremse. Doch die Debatte ist damit wieder angestoßen: Braucht Deutschland eine Pkw-Maut? Wen würde es wie treffen?
Was will Ramsauer? Der Plan, dass Autofahrer für die Straßennutzung zahlen, ist ein Dauerseller der CSU. Parteichef Horst Seehofer forderte im Mai eine Jahresvignette von 120 Euro, um damit die Mineralölsteuer zu senken – also den Spritpreis. Nun stellt die CSU den Verkehrsminister, und der forderte prompt: „Wir wollen, dass das Straßennetz stärker durch den Nutzer finanziert wird. Die Lkw-Maut war ein Anfang“, so Ramsauer. „Wir wollen, dass alle Optionen auf den Tisch kommen und geprüft werden.“ Dafür werde nun eine Expertenkommission eingesetzt. Beifall bekam der CSU-Mann vom neuen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Stefan Mappus: „Jedes Jahr ohne Pkw-Maut ist ein verlorenes Jahr!“ Damit solle die Kfz-Steuer abgeschafft und die Mineralölsteuer gesenkt werden. Weil dann auch Ausländer zahlen müssten, „hätten wir über Nacht 20 Prozent Mehreinnahmen“. Auch die FDP ist grundsätzlich dafür.
Wer will ihn stoppen? Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit ihrem feinen Gespür zur Vermeidung von Wähler-Unmut hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bisher noch jeden CSU-Vorstoß zur Pkw-Maut abgeschmettert. Gestern dauerte es vier Stunden ab Erscheinen des Interviews, bis Ramsauer seinen eigenen Vorstoß kleinreden musste: „Von einer Pkw-Maut ist im Koalitionsvertrag überhaupt nicht die Rede. Dieses Thema steht deswegen nicht auf der Tagesordnung.“ Ramsauers Nachfolger Hans-Peter Friedrich sagte, das Thema solle für die „ganze Legislaturperiode“ vom Tisch.
Wie wahrscheinlich ist die Einführung? Trotz aller Dementis: Schwarz-Gelb braucht Geld. Experten von Norbert Walter bis Clemens Fuest hatten schon vor der Wahl erklärt, sie hielten die Einführung einer Pkw-Maut für wahrscheinlich. Spätestens, wenn sich die Arbeitsgruppe Steuersenkung mit der genauen Finanzierung befasst, kommt das Thema wieder auf den Tisch. Dann könnte man es den Wählern im Doppelpack verkaufen.
Wie könnte sie aussehen? Langfristig wird an eine kilometerabhängige Maut gedacht, so wie bei den Lkw (derzeit 14,1 bis 28,8 Cent pro Kilometer, je nach Achszahl und CO2-Ausstoß). Sie bringt 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Doch die Einführung würde vermutlich Jahre dauern (man erinnere sich an das Chaos zum Start des Lkw-Systems), allein weil alle Pkw mit OBU-Erfassungsgeräten ausgerüstet werden müssten. Deswegen ist mittelfristig eine Jahrespauschale wahrscheinlich, wie sie in anderen EU-Ländern gilt. Seehofer sprach zuletzt von einer Summe von 120 Euro.
Wer profitiert, wer verliert? Nach Seehofers Berechnung liegt die Grenze bei 9000 Kilometern im Jahr: Wer mehr fährt, käme mit der Vignette günstiger weg. Wer weniger fährt, zahlt drauf. Und: Wer ein sparsames Auto hat, muss viel mehr fahren, um zu den Gewinnern zu gehören. Ein Rentner mit 5000 Kilometern Fahrleistung im durchschnittlichen Auto müsste selbst nach Seehofers Zahlen 60 Euro mehr zahlen. Der ADAC bezweifelt die CSU-Rechnung ohnehin: Mit der 120-Euro-Vignette könne man den Spritpreis nur um 4 Cent senken und nicht um 15.
Was sagen die Experten? Zahlreiche Auto- und Steuerzahlerverbände lehnten den Vorstoß gestern empört ab – niemand glaubt im Ernst, dass die Mineralölkonzerne die Steuersenkung tatsächlich auf Dauer an die Verbraucher weitergeben. Damit wäre es doch nur wieder eine weitere Belastung der Autofahrer. Andreas Hölzel vom ADAC zur AZ: „Diese ollen Kamellen werden seit Jahren immer wieder ausgepackt. Dabei ist die Mineralölsteuer viel gerechter: Nichts anderes misst so exakt, wie viele Kilometer man fährt, welchen Fahrstil man hat, wie sparsam das Fahrzeug ist – und das bei null Einrichtungs- oder Kontrollkosten.“
Und: Bei einer Vignette würden viele auf die weit unfallträchtigeren Landstraßen ausweichen – der ADAC rechnet mit mehreren hundert Verkehrstoten zusätzlich.
Anja Timmermann