Peter Ramsauer will so cool sein wie Guttenberg
Peter Ramsauer ist Spitzenkandidat. Doch der Star des Wahlkampfs ist Karl-Theodor zu Guttenberg, der selbsternannte „KrisenbewälTiger“. Die AZ beobachtet das ungleiche Duo der CSU
Nein, ans Keyboard will er sich auf keinen Fall setzen. „Ich weiß ja gar nicht, wie man das anfasst“, ziert sich Peter Ramsauer. Dabei ist der CSU-Landesgruppenchef nicht nur Betriebswirt und Müller, sondern auch studierter Pianist. Ein bisschen improvisieren, nein, so hat er sich das nicht gedacht, als er groß zu einem „Jazz-Abend mit dem Spitzenkandidaten Peter Ramsauer“ in den Sailer Keller in Traunstein geladen hat.
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Karl-Theodor zu Guttenberg hat gleich ja gesagt. Natürlich macht er den DJ bei der Wahlparty der JU auf dem Schrannenplatz in Neuburg an der Donau. Auch wenn er eigentlich nicht viel Ahnung davon hat. Das aber gesteht er nur nebenbei und höchst diplomatisch. „Ich habe Erfahrung mit Schallplatten, nicht aber mit CDs.“ Den Kopfhörer aufsetzen, ein bisschen rumdrehen an den Knöpfen am Mischpult, ein bisschen grooven und shaken kann schließlich jeder. Vor allem, wenn ein Profi-DJ daneben steht und schon alles eingespielt hat.
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Wahlkampf in Bayern. Ramsauer ist der Spitzenkandidat. Spitze aber ist Guttenberg. Nur einmal hat er nein gesagt. Bei Opel. Das katapultierte ihn in die Herzen der Deutschen und der CSU. Bei der Vorstandswahl im Juli krönte die Partei den schwarzen Baron aus Franken zu ihrem Stimmenkönig. Ramsauer ließ sie links liegen mit einem miserablen Ergebnis als CSU-Vize. Er hat zu oft nein gesagt. Eigentlich hätte Ramsauer Bundeswirtschaftsminister werden können. Er lehnte ab. Zwei Jahre zuvor hatte er den Vorsitz der CSU-Oberbayern verschmäht, die größte Machtbastion, die die Partei zu bieten hat. Jetzt ist der Spitzenkandidat der Mann in der zweiten Reihe – und im Wahlkampf zuständig fürs Kleine.
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Der Sailer Keller in Traunstein entpuppt sich als biederes Hinterzimmer, nachmittags tanzen hier die Senioren. Auf der kleinen Bühne drängt sich die Jazz-Gruppe „Round Midnite“. Im Eck hat die Rockband „Grandpa's Penthouse“ ihre Instrumente aufgestellt. Ihr Chef Viktor ist der Freund von Ramsauers ältester Tochter Barbara (19). Er spielt Indie, alternativen Rock. Die Szene erinnert eher an Kir Royal. Als Baby Schimmerlos in einem leeren Lokal sitzt und der Wirt schnell alle Freunde zusammen trommelt. Knapp 80 kommen in den Sailer Keller.
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„I’m dynamite/ and I'll win the fight/ I'm a power load/ watch me explode“, schreit dagegen AC/DC aus den Lautsprechern über den Schrannenplatz im gut 200 Kilometer entfernten Neuburg an der Donau. „Ich bin Sprengstoff, ich werde den Kampf gewinnen.“ Dort, wo sonst der Wochenmarkt stattfindet, ist es ein bisschen wie bei der Grammy-Verleihung. Kamera-Männer und Fotografen drängen sich ums beste Bild. Mit blauen Lichterketten simuliert die JU einen Catwalk, durch den KT schreitet. „Das ist eine Blaskapelle der anderen Art“, ruft Guttenberg in die Menge und präsentiert sich wie ein Pop-Star: „Hier steht das junge Herz Bayerns.“
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„Heut' ist es ganz intim“, sagt Gerhard Richter, der den Abend moderiert. Silvia Tica ist Fotografin und Sängerin. Sie hat Peter Ramsauer für seine Wahlkampf-Plakate abgelichtet. Als er kommt, schnulzt die Blondine gerade herzzerreißend den Elvis-Song „Blue Moon“, singt von der Einsamkeit, dem Herz ohne Träume und der fehlenden Liebe.
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Die knapp 1000 Fans spüren vor allem ihren Bauch, den die Bässe in Schwingung versetzen. Mit sechs Bussen hat die JU Mitglieder angekarrt. In Guttenberg-T-Shirts machen sie jetzt die Einpeitscher, feiern ihn wie einen Superstar, so dass die Lücken im Publikum nicht auffallen. KT zu Guttenberg steht unter Strom. Schon seit Wochen. Bei jedem Auftritt ist es ihm regelrecht anzusehen. Mit seinem Einmarsch wechselt sein Gesicht die Farbe, als würde man eine Glühbirne anknipsen.
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Peter Ramsauer produziert Strom. Ökologischen noch dazu. Aber nur daheim in seinem Wasserkraftwerk im idyllischen Traunreut.
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Für die Jungen ist Guttenberg der Hoffnungsträger. Für die Alten das Zugpferd, um auch ihre Macht zu erhalten. In München plakatiert Berti Frankenhauser, den seine Freunde auch „Don Promillo" nennen: „Gemeinsam für Deutschland.“ Per Fotomontage präsentiert sich der 64-Jährige neben dem 37-jährigen Bundeswirtschaftsminister. Peter Gauweiler (60) und Hans-Peter Uhl (65) können auf ihren Plakaten wenigstens ein echtes Foto im Duett mit Guttenberg bieten.
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Im Sailer Keller bringen Helfer einen Stehtisch und zwei rustikale Hocker, wie sie in Wirtschaftswunder-Zeiten in den Kellerbars der deutschen Reihenhäuser standen. Der Moderator fragt: „Peter, was würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen? Mit wem möchtest du nicht in einem Aufzug stecken bleiben? Was sollte ein Politiker nie tun?“ „Lügen“, schallt es aus dem hinteren Eck. Ramsauer überlegt kurz, entscheidet sich dann aber anders: „Ein Politiker sollte nie nie sagen.“
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DJ Guttenberg redet eine Stunde, sagt, was er landauf landab in jeder Rede sagt: „Wir haben keine Milliarden zu verschenken. Berlin ist nicht das Goldmariechen. Da muss man auch mal sagen: Jetzt ist Schluss“, wettert er gegen Opel und Arcandor. Dafür erntet er überall größten Applaus.
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Als Wahlkampfaufkleber lässt Ramsauer eine altes Jugendfoto verteilen: Ramsauer als 17-Jähriger im Jimi-Hendrix-Look. Damals so cool wie heute der coole Baron.
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Zwei weiße Laser durchschneiden den Nachthimmel. Rechts und links neben der schwarzen Bühne lassen zwei Konfetti-Kanonen schneeweiße Papierschnitzel regnen. Zwei Nebelmaschinen umhüllen den Super-Star, als würde er von einem anderen Stern erscheinen. Nach einer halben Stunde beendet Guttenberg sein DJ-Gastspiel. Mit Lady Gaga und ihrem Hit „Poker Face“ verlässt er die Bühne.
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Das Poker Face gibt Peter Ramsauer. Grandpa's Penthouse legt zum Schluss voll los. Schnell leert sich das Hinterzimmer. Ramsauer formt seine Hände wie zu einem Megafon und schreit über den Tisch: „Der Guttenberg ist doch der Knüller. Dafür hätt’ ma ja früher den Franz Beckenbauer engagieren müssen.“ Und was ist er? Ramsauer zuckt mit den Schultern: „Nach vier Jahren in der großen Koalition kann man als Landesgruppenchef keinen Popularitätspreis gewinnen.“
Angela Böhm