Pensionen steigen zehn Mal stärker als Renten
MÜNCHEN Über die Unterschiede zwischen Rentnern und Pensionäre ist in dieser Republik schon oft und hitzig debattiert worden. Ein Aspekt aber war bisher kaum beachtet: Die Kluft wird immer noch größer – weil die Altersbezüge von Staatsdienern jedes Jahr viel üppiger wachsen als die von Rentnern. Heuer ist es besonders krass, wie jetzt klar ist, seitdem die genauen Raten für beide Gruppen feststehen: Bei den Pensionären fällt das Plus mit 2,65 Prozent mehr als zehn Mal so hoch aus wie bei den Rentnern mit 0,25 Prozent. Die AZ hat sich die Gründe und die Folgen mal näher angeschaut.
Wie sehen die Erhöhungen genau aus? Die Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen zum 1. Juli 2013 ein Plus von 0,25 Prozent – jedenfalls im Westen. Das reicht nicht einmal, um die Inflationsrate auszugleichen. Im Osten fällt die Steigerung mit 3,29 Prozent deutlicher aus. Bei den Staatsdienern orientieren sich die Zuwächse am Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes: nämlich 2,65 Prozent für dieses Jahr. 2014 wird auch nicht schlecht: Dann steigen die Pensionen noch einmal parallel zu den Gehältern im öffentlichen Dienst, und zwar um 2,95 Prozent.
Ist das nur diesmal so – oder immer? Heuer ist der Unterschied besonders groß, aber das grundsätzliche Prinzip gilt immer. In den letzten zehn Jahren sind die Beamtenpensionen fast doppelt so stark gestiegen wie die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenkasse. Seit 2002 wuchsen die Pensionen um 13,04 Prozent (Bund) beziehungsweise 14,98 Prozent (Länder). Bei den Renten betrug das Plus im gleichen Zeitraum 8,51 Prozent (West)/ 9,69 Prozent (Ost).
Warum kriegen Pensionäre höhere Zuwächse als Rentner? Weil es der Gesetzgeber so beschlossen hat: Grob gesagt orientieren sich die Steigerungen der Altersbezüge immer an den Zuwächsen ihrer jeweils jungen Kollegen – bei West-Rentnern an den Lohnsteigerungen West, bei Ost-Rentnern an den Lohnsteigerungen Ost, bei Staatsdienern an den Abschlüssen im Öffentlichen Dienst. Aber: Bei den gesetzlichen Renten werden vom Lohnplus erst allerlei Abschlagsfaktoren abgezogen, bevor es auf die Senioren übertragen wird. Das ist eingeführt worden, damit die Jungen nicht so viel Rentenbeitrag zahlen müssen und das so Gesparte für eine private Vorsorge verwenden können (unabhängig davon, ob sie es tatsächlich tun). Bei den Staatsdienern dagegen werden die Werte für die Jungen in der Regel eins zu eins auf die Ruheständler übertragen – so ist es zum Beispiel in Bayern. Zwar gab es ein paar kleinere Abschläge (für Bundesbeamte gibt es sie noch), aber nie in der Größenordnung wie bei Angestellten. Sprich: Die Kluft zwischen der Zwei-Klassen-Gesellschaft im Alter wird immer größer.
Bei den Staatsdienern ist sogar die Witwenversorgung höher als eine gesetzliche Durchschnittsrente
Warum haben Pensionäre ohnehin mehr Geld im Alter? Das fängt bei den gesetzlichen Maßgaben an: Ein Pensionär hat bis zu 71,75 Prozent seiner früheren Bezüge (im Durchschnitt 69 Prozent) – ein Rentner gut 50 Prozent (Tendenz sinkend). Dazu kommen andere Faktoren: Beamte haben – anders als viele andere – in der Regel keine Phasen von Arbeitslosigkeit. Unter ihnen gibt es auch keine Niedriglöhner und Minijobber, sie sind im Schnitt zudem höher qualifiziert als der Rest der Bevölkerung.
Wie sieht die Kluft in Zahlen aus? Der durchschnittliche Auszahlbetrag der Rentenkassen beträgt für einen Mann (West) aktuell 985 Euro (Ost: 1097 Euro), für eine Frau 484 Euro im Westen und 715 Euro im Osten. So steht es im Alterssicherungsbericht der Bundesregierung von 2012 (siehe Tabelle). Ein Pensionär des Bundes erhält dagegen im Schnitt 2750 Euro, eines Landes 2940 Euro und einer Gemeinde 2840 Euro. Bei den Staatsdienern ist sogar die durchschnittliche Witwenversorgung (1430 Euro) noch höher als das, was ein gesetzlicher Rentner aus eigenen Ansprüchen bezieht.
Was mindert die Kluft? Betrachtet man die Netto-Einkommen, also das, was der einzelne Ruheständler tatsächlich zur Verfügung hat, nähern sich die Gruppen etwas an: Denn 71,3 Prozent der gesetzlichen Rentner haben noch ein Zubrot (Betriebsrente, Riesterrente), so der Alterssicherungsbericht – Pensionäre viel seltener. Und: Die Ex-Staatsdiener haben deutlich höhere Abgaben (Steuern, Krankenversicherung). Doch auch unter dem Strich bleibt die Kluft. Die Bezüge der Pensionäre sind dann zwar nicht mehr – wie auf den ersten Blick – weit mehr als doppelt so hoch, aber immer noch signifikant höher. Dazu wiederum der Alterssicherungsbericht, der die finanzielle Lage aller Über-65-Jährigen untersucht hat: War derjenige früher Angestellter oder Arbeiter, hat er im Alter netto 1283 Euro im Monat. War er beim Staat, hat er 2433 Euro. Ohnehin eine interessante Tabelle. Besonders positiv auf den Senioren-Geldbeutel wirkt sich demnach aus: nicht zur Miete, sondern im Eigenheim wohnen, keinen migrantischen Hintergrund zu haben, als Mann verheiratet zu sein und als Frau nicht verheiratet zu sein.
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