Patientenstudie: Wartezeit nur selten ein Problem
Berlin Die Kassenpatienten Deutschland vertrauen ihren Ärzten, schätzen deren Arbeit und bleiben ihnen treu. 92 Prozent der Patienten haben ein sehr gutes oder gutes Vertrauensverhältnis zu ihren Haus- oder Fachärzten, 47 Prozent bewerten deren Fachkompetenz mit der Note eins, weitere 46 mit der Note zwei. Und 89 Prozent denken gar nicht daran, zu einem anderen Mediziner zu wechseln.
Das ist das Ergebnis der mittlerweile achten Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.
Diese Zahlen seien ein Belag dafür, dass die Ärzte „hohe medizinische Standards erfüllen, auf die Patienten zugehen und sie in ihrem gesamten Umfeld betrachten“, sagt KBV-Präsident Andreas Gassen.
Und noch etwas lässt das Herz der Vertretung der Ärzteschaft höher schlagen: Die Befragung von 6089 zufällig ausgewählten Kassenpatienten durch die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen ergab, dass das politisch umstrittene Thema Wartezeiten in den Praxen vor Ort keine wichtige Rolle spielt. „Im Vergleich zu den Erhebungen des Vorjahres hat sich nicht viel verändert“, sagte Gassen, fast zwei Drittel aller Patienten hätten innerhalb von drei Tagen einen Termin bei ihrem Haus- oder Facharzt erhalten, 87 Prozent innerhalb von drei Wochen. Nur etwa jeder neunte Kassenpatient musste sich mehr als drei Wochen gedulden, aber auch acht Prozent der privat Versicherten.
Das klinge nach viel, doch es lohne sich, die Zahlen genauer anzusehen. „Bei vielen dieser Termine handelt es sich um planbare, nicht akute Arztbesuche wie Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen oder Impfungen“, sagte der Ärztefunktionär. Zudem zeige sich, dass selbst Wartezeiten von mehr als drei Wochen von der Mehrzahl der Befragten nicht als störend empfunden werden. „Für mich ist das ein Beleg dafür, dass die Patienten sehr wohl unterscheiden können zwischen dem, was sie sich wünschen, und dem, was organisatorisch machbar ist.“
Ärzte weisen Vorwurf von sich, Patienten abzuzocken
Indirekt übte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung damit Kritik an der Großen Koalition, die erst in diesem Sommer das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz verabschiedet hat. Gegen den Willen der Ärzteschaft wurden die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Terminservicestellen einzurichten. Diese sollen Patienten mit einer Überweisung an einen Facharzt innerhalb von vier Wochen einen Termin verschaffen. Klappt das nicht, kann sich der Patient an ein Krankenhaus wenden. „Wir Vertragsärzte sind weiterhin skeptisch, ob dieses Instrument Abhilfe schaffen wird, denn die große Mehrheit der Versicherten möchte, wenn sie eine Überweisung hat, zu einem bestimmten Facharzt.“
Das deutsche System der freien Arztwahl sei in Europa „nahezu einzigartig“, es bilde die Grundlage der ambulanten medizinischen Versorgung. Probleme bei der Terminvergabe hätten vor allem chronisch Kranke und Menschen mit geringem Bildungsgrad.
Entschieden wiesen Gassen und seine Vorstandskollegin Regina Feldmann den Vorwurf zurück, die Ärzteschaft würde bei den sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistungen“, kurz Igel genannt, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen sind und daher von den Versicherten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, die Patienten abzocken. Nur 24 Prozent der Ärzte hätten von sich aus eine Igel-Leistung angeboten, 76 Prozent dagegen nicht. Und 18 Prozent der Befragten gaben an, selber die Initiative ergriffen und den Arzt danach befragt zu haben. Allerdings sei die Zahl der Befragten, die sich vom Arzt überrumpelt fühlten, im Vergleich zu 2013 von neun auf 16 Prozent gestiegen. „Wir als Ärzte sollten hier darauf achten, dass die Patienten in allen Fällen eine angemessene Bedenkzeit erhalten“, gab der Ärztefunktionär als Devise aus.
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