Politik spaltet Liebe: Partnerin will Bayerns Ex-AfD-Chef Martin Sichert verlassen

Ronai Chaker, Partnerin von Bayerns ehemaligem AfD-Chef Martin Sichert, will die Beziehung wegen politischer Anfeindungen beenden.
von  Alexander Spöri
Der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert steht am Rednerpult im Bundestag. Eingezogen ist der AfD-Funktionär über die Landesliste in Bayern.
Der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert steht am Rednerpult im Bundestag. Eingezogen ist der AfD-Funktionär über die Landesliste in Bayern. © imago

Berlin/München - Die Partnerin von Martin Sichert, dem ehemaligen Landesvorsitzenden der AfD in Bayern, will sich eigenen Angaben zufolge aus politischen Gründen vom Bundestagsabgeordneten trennen. "In den kommenden Tagen werden mein Mann Martin Sichert und ich uns trennen und voraussichtlich scheiden lassen." Das teilte Ronai Chaker am Dienstag auf dem Kurzbotschaftendienst X, vormals Twitter, mit. "Dieser Schritt ist nicht nur sehr schmerzhaft, sondern er symbolisiert auch, wie tief die Spaltung der Gesellschaft selbst in Familien getragen wird und sie auseinanderreißt", heißt es in dem Beitrag.

Über Monate hinweg habe Chaker, die Jesidin ist, Anfeindungen und Drohungen von Rechtsextremisten, Akteuren aus dem linksextremen Spektrum und von Islamisten erhalten. Diese hätten nicht nur ihre Ehe, sondern auch ihre "seelische Verfassung" stark beeinträchtigt. "Obwohl ich meine eigene Familie nicht vor Extremisten in Deutschland schützen konnte und sie jetzt deshalb auseinanderbricht, hoffe ich, dass die Gesellschaft in der Lage ist, sich vor ihnen zu schützen und zu verteidigen."

Partnerin von AfD-Chef Martin Sichert will Jesiden in Deutschland eine Stimme geben

Wie aus einem Beitrag auf der Homepage des AfD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen hervorgeht, ist Chaker "anerkannte politisch Verfolgte" mit einem Asylhintergrund. Sie stamme von einer Bevölkerungsgruppe ab, die zahlreiche Genozide erlebt habe. Ursprünglich wirkte sie politisch, wie sie selbst schreibt, bei der FDP mit - genauso wie Sichert, der zwischen 2009 und 2012 in der Partei war. Erst nach der Kölner Silvesternacht 2015 sei Chaker ausgetreten.

Als starke Stimme der Jesiden wollte die Frau in Deutschland auftreten, um auf den seit 2023 vom Deutschen Bundestag anerkannten Völkermord an Jesiden auf irakischen Staatsterritorium aufmerksam zu machen. Während sie vor dem Islam warnte, warf sie den etablierten Parteien die Verharmlosung der Religion vor. In den Sozialen Medien präsentierte sich Chaker als Unterstützerin der rechtspopulistischen AfD. Manche Sympathisanten der Partei schreckte das ab - sie forderten online sogar ihre Abschiebung.

Ronai Chaker sei AfD-Mitgliedschaft verwehrt worden – Landesverband bezieht Stellung

Trotz dieser Auseinandersetzungen wollte Chaker der Partei beitreten. Doch ihr Mitgliedsantrag sei "versehentlich" vom Landesverband in Niedersachsen als "extremistisch" markiert worden. "Diesen Formfehler wollte man jedoch nicht korrigieren. Dies nahm ich hin und schwieg dazu", teilt sie in ihrem Tweet mit. Auf AZ-Anfrage teilt der Landesverband mit, dass sich mit dem Parteiprogramm identifizierende Personen „willkommen“ seien, einen Mitgliedsantrag zu stellen. Dabei spiele auch die Herkunft keine Rolle. „Dennoch kann es gute Gründe geben, sich gegen die Mitgliedschaft eines Bewerbers auszusprechen“, heißt es in der Stellungnahme. Zu konkreten Personalien möchte man sich nicht äußern.


Ihr Mann Martin Sichert setzte sich im November des vergangenen Jahres noch für UN-Sicherheitszonen für Gebiete in Syrien und im Irak ein - um Minderheiten vor türkischen Angriffen zu schützen, geht aus einer schriftlichen Erklärung der AfD-Bundestagsfraktion hervor. Doch mittlerweile muss es zwischen Sichert und Chaker wohl ordentlich gekracht haben.

"Private Dinge": Martin Sichert will X-Beitrag nicht kommentieren

Der frühere AfD-Chef in Bayern, der mittlerweile laut dem Abgeordnetenverzeichnis des Deutschen Bundestags in Nürnberg und Wilhelmshaven Büros hat, wollte auf AZ-Anfrage "private Dinge nicht öffentlich in den Medien" kommentieren. Auch seine Partnerin ließ eine Anfrage der AZ unbeantwortet. Auf dem Internetauftritt des Deutschen Bundestags gibt der Abgeordnete "getrenntlebend" als Beziehungsstatus an.

Für Spaltungspotenzial könnte möglicherweise auch Chakers Rolle beim Potsdamer Treffen zwischen AfD- und CDU-Politikern gesorgt haben. Über X sei sie von "jemandem aus dem besagten Netzwerk" kontaktiert worden. Zu den im November 2023 dort besprochenen Plänen zur "Remigration" hat Chaker eine Meinung, die nicht allen in der AfD gefallen dürfte: "Schockierend war die Erkenntnis, dass in diesem Netzwerk an einer Rassenideologie gearbeitet wird." Dieses Wissen stehe im "krassen Widerspruch" zu ihren "tiefsten" politischen Überzeugungen.

Auf X endet Chakers Beitrag mit den Worten: "Alles Gute und bleibt stark, stärker als ich es war und bin!" Seit der Veröffentlichung des Tweets hat sich Sicherts Partnerin auf dem Kurzbotschaftendienst nicht mehr zur Angelegenheit geäußert.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.