Parteienforscher sieht Schavan in der "Glaubwürdigkeitsfalle"
Berlin - Nach Aberkennung ihres Doktortitels sieht der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) in der "Glaubwürdigkeitsfalle".
"Sie hat nicht in dem Ausmaß wie der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plagiiert. Der Fall holt sie jetzt aber ein. Sie hatte damals nicht ohne Häme erklärt, sie schäme sich nicht nur heimlich. Das fällt nun auf sie zurück", sagte Langguth den Dortmunder "Ruhe Nachrichten" (Donnerstag). "Die beschädigte Glaubwürdigkeit ist ein großes Problem, auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel." Diese werde nun erst einmal die Lage sondieren und abwarten, wie sich die Debatte entwickelt. "Es ist möglich, dass sie dann ihre Vertraute, Frau Schavan, bitten wird, zurückzutreten."
Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Prof. Bernhard Kempen, sagte im ZDF-"heute journal", für ihn sei es nur "schwer vorstellbar, dass eine Bundesbildungsministerin, die in Fragen von Exzellenz und von wissenschaftlichem Arbeiten Vorbild sein soll, sich nun ausgerechnet in einem Titelkampf befindet". Ihr privater Konflikt mache es schwierig, das wichtige Amt "effektiv und glanzvoll auszuüben". "Von daher ist der Rücktritt möglicherweise doch die richtige Konsequenz."
Der Philosoph und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin zeigte sich befremdet, dass es darüber überhaupt eine Diskussion gebe. "Es darf keine doppelten Standards geben, weil sie viele Verbindungen hat, weil viele abhängig von den Geldflüssen des Wissenschaftsministeriums sind", sagte Nida-Rümelin dem 3sat-Magazin "Kulturzeit" am Mittwochabend.
Der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt hielt Schavan zugute, "dass sogar Kapitalverbrechen nach 25, 30 Jahren verjähren. Und im Vergleich damit sind Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten, in die ohnehin kaum jemand hineinblickt, doch eine ganz andere Schwere von Tat". Trotzdem gehörten sie unnachsichtig und streng verfolgt, sagte Patzelt, der an der TU Dresden forscht, dem Radiosender MDR Jump am Mittwoch.
Nach Aberkennung ihres Doktortitels ist die politische Zukunft von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) offen. Zwar hatte Regierungssprecher Steffen Seibert versichert, Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "volles Vertrauen" in Schavan. Zugleich vermied er aber ein ausdrückliches Bekenntnis zum Verbleib Schavans im Amt. Die Uni Düsseldorf hatte der 57-Jährigen nach neun Monaten Prüfung wegen "vorsätzlicher Täuschung" in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen.