Parteiaustritte nach Treffen in München: Merkel-Ärger in der CSU

Die erneute Ausrufung der CDU-Chefin Angela Merkel zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin sorgt für Unruhe an der Basis.
Ralf Müller, Felix Müller |
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„Wir haben eine vorzügliche Kanzlerin“, sagt Horst Seehofer über Angela Merkel. Doch das finden nicht alle in der CSU.
Foto: Sven Hoppe/dpa „Wir haben eine vorzügliche Kanzlerin“, sagt Horst Seehofer über Angela Merkel. Doch das finden nicht alle in der CSU.

Die erneute Ausrufung der CDU-Chefin zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin sorgt für Unruhe an der Basis.

München - Das Manöver konnte nicht reibungslos gelingen. Der Supertanker CSU tut sich schwer, dem schnellen Kurswechsel der Führungsfregatte Horst Seehofer zu folgen. Oder – um ein anderes Bild zu bemühen – der CSU-Chef hat offenbar noch ein paar Probleme, die Parteifreunde, die er in den zurückliegenden 17 Monaten des Streits auf die Anti-Merkel-Bäume getrieben hat, von dort wieder herunter zu holen.

Plastische Bilder gibt es einige, um den gegenwärtigen Zustand der CSU zu beschreiben. Wenn man gleichzeitig Bremse und Gaspedal betätigt, darf man sich nicht wundern, wenn das Auto ins Schleudern gerät.

Bayernweit seit Montag 53 Austritte

Es begann schon mit den hämischen Vorberichten zum "Zukunftstreffen" der Präsidien von CDU und CSU am vergangenen Wochenende in München und setzte sich fort mit der Pressekonferenz der Parteichefs Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer am Montag, die so gar nicht das Bild wiedergewonnener Harmonie, sondern eher von "eisiger Freundschaft" abgab. Einen ganzen Tag lang konnte sich Seehofer der Illusion hingeben, dass die Ausrufung Merkels als gemeinsame Kanzlerkandidatin ("Wir haben eine vorzügliche Kanzlerin") nach eineinhalb Jahren zum Teil heftiger Streitereien, Klageandrohungen und öffentlichem Indensenkelstellen von seiner Partei mehr oder weniger klaglos geschluckt werden würde.

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Doch dann wurden die Schluckbeschwerden offenkundig: In einer Sitzung der CSU-Fraktion im Landtag trugen ein halbes Dutzend von Landtagsabgeordneten dem Ministerpräsidenten die Beschwerdeliste ihrer Basis vor. Fast jeder zweite Abgeordnete habe sich zu Wort gemeldet, viele davon hätten berichtet, dass die Parteibasis unruhig sei. "Bei den Konservativen gibt es immer noch eine große Skepsis gegenüber der Kanzlerin", sagt ein Abgeordneter. In diesen Tagen würden er und seine Kollegen bei den vielen Neujahrsempfängen in den Ortsverbänden besonders genau mitbekommen, wie die Stimmung sei. "Wir bekommen täglich eine Packung ab." Aus allen Teilen Bayerns, raunt es in der Fraktion, würden Parteiaustritte gemeldet. Das Problem aber bestreitet die Parteiführung. Es habe bayernweit seit Montag 53 Austritte gegeben, hieß es auf AZ-Anfrage. Und 53 Eintritte. "Eine Austrittswelle ist nicht erkennbar."

"Wir wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt"

Der designierte Vize-Generalsekretär der CSU, Markus Blume, sagte der AZ: "Wir müssen jetzt den Vorwärtsgang einlegen und klar machen, dass es darum geht, in welcher Republik wir leben wollen. Wir wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt – und werden Schulz und die Rechtspopulisten in die inhaltliche Auseinandersetzung zwingen." Das soll optimistisch klingen. "Man hat gemerkt", so Blume, "dass die Herzkammer der CSU pocht". Gestern wurde allerdings auch der demoskopische Unterbau für den CSU-internen Unmut geliefert. Das Umfrage-Institut GMS ermittelte im Auftrag von Sat.1 Bayern, dass 39 Prozent der CSU-Anhänger Merkels neuerliche Kanzlerkandidatur nicht unterstützen wollen. 59 Prozent der CSU-Anhänger stünden außerdem hinter der Drohung Seehofers, in die Opposition zu gehen, sollte in einem möglichen neuen Koalitionsvertrag keine Obergrenze stehen. Ein Versprechen, das der CSU-Chef nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter nicht einhalten können wird. "Dass die CSU sagen wird, wir gehen nicht in diese Koalition, weil ein bestimmtes Substantiv nicht im Vertrag steht, und dann die Regierungsführung Herrn Schulz überlässt, das halte ich für geradezu lächerlich."

Zum Glück, meinte Ex-Justizminister Alfred Sauter (CSU), seien es noch acht Monate bis zur Bundestagswahl. Es sei ihm lieber, die SPD übertrumpfe in den Umfragewerten jetzt die Union als kurz vor der Wahl. Derzeit jedenfalls steht es um den Kampfgeist der Christsozialen offenbar nicht zum Besten: Es drohe ein "Wahlkampf mit angezogener Handbremse", heißt es in der Landtagsfraktion. Wenn es schief gehe, dann könne man ihn ja nach der Wahl "köpfen", hatte Seehofer entgegnet. Das Angebot beunruhigte mehr als es besänftigte, denn dann wäre es ohnehin zu spät.

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