Papst: Kondom in manchen Fällen gerechtfertigt
ROM - Vielfach scharf kritisiert wegen des Pädophilie-Skandals hinter katholischen Kirchenmauern, hat Papst Benedikt XVI. jetzt einen sensationellen Kurswechsel im Vatikan eingeleitet: In einem Interviewbuch rückt der deutsche Pontifex vom Kondomverbot ab.
Im Vorfeld war eine „Sensation“ angekündigt worden – und um die handelt es sich tatsächlich: Papst Benedikt XVI. hat an einem strikten Kirchen-Tabu gerüttelt und das strenge Verbot von Kondomen gelockert. In dem Interviewbuch „Licht der Welt“ des Münchner Autors Peter Seewald (es erscheint am Dienstag) sagt das Oberhaupt der katholischen Kirche, dass in manchen Fällen die Benutzung von Präservativen gerechtfertigt sein könnte.
Jahrzehntelang war der Vatikan kritisiert worden, weil er das Kondomverbot nicht lockerte – auch nichts angesichts von Millionen von Aids-Toten.
Auch weiterhin sehe die Kirche die Präservative nicht als wirkliche und moralische Lösung an, aber: „Im einen oder anderen Fall kann es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität“, sagte Benedikt XVI. Er erklärt, die bloße Fixierung auf das Kondom bedeute eine „Banalisierung der Sexualität. Und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art Droge, die sie sich selbst verabreichen.“
Als Beispiel für akzeptierte Ausnahmefälle führt Benedikt männliche Prostituierte an, die die Ausbreitung von Aids verhindern wollten. Der Gebrauch des Kondoms könne in diesen Fällen „ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein“ und könne helfen, ein Bewusstsein zu entwickeln, „dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will.“
Diese Äußerungen des Kirchenoberhauptes sind tatsächlich eine Sensation. Es gab zwar in der Vergangenheit immer wieder Äußerungen von Geistlichen über die Nutzung von Kondomen zur Verhinderung von HIV und Aids. Jedoch hat sich noch nie ein Papst derart öffentlich geäußert.
Damit hat Benedikt XVI offenbar auch offizielle Stellen im Vatikan überrascht – besonders da er als sehr konservativer Bewahrer der katholischen Grundüberzeugungen gilt. Eine Stellungnahme des Vatikans lag daher zunächst auch nicht vor. Erste Kommentare gab es von den Philippinen, wo Deogracias Yniguez von der Bischofskonferenz sagte: „Wenn es verwendet wird, um eine Krankheit zu vermeiden, kann es die Kirche zulassen.“ Und der Missionar Shay Cullen lobt: „Wir sehen einen aufgeklärten Papst, der seiner Sorge um das menschliche Leben Priorität einräumt.“
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