Otto Graf Lambsdorff ist tot: Ein liberaler Haudegen tritt ab

Selbst seine politischen Gegenspieler respektierten ihn: Lambsdorff, der äußerst selbstbewusste Nachkriegs-Liberale, ging keinem Streit aus dem Weg. Selbst einen riesigen Skandal überstand er.
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Zwei Wochen vor seinem 83. Geburtstag ist der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff am vergangenen Samstag gestorben.
AP Zwei Wochen vor seinem 83. Geburtstag ist der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff am vergangenen Samstag gestorben.

BERLIN - Selbst seine politischen Gegenspieler respektierten ihn: Lambsdorff, der äußerst selbstbewusste Nachkriegs-Liberale, ging keinem Streit aus dem Weg. Selbst einen riesigen Skandal überstand er.

Otto Graf Lambsdorff ist tot. Er starb am Samstag in einem Bonner Krankenhaus – zwei Wochen vor seinem 83. Geburtstag. Der FDP-Politiker sei „von seinen vielfältigen Leiden erlöst worden“, teilte sein Büro mit.

Otto Graf Lambsdorff hat polarisiert. Er stand für die „Wende“, das Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982, für die Flick-Affäre. Und er stand für politische Konfrontation, wenn es ihm angebracht schien. Ein Kuschel-Demokrat wollte er nie sein.

Geboren 1926 in Aachen, verlor Lambsdorff bei einem Tieffliegerangriff das linke Bein. Seine Silberkrücke sollte später zu seinem Markenzeichen werden. Lambsdorff studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn und Köln. Der Bismarck-Bewunderer rückte in den FDP-Vorstand auf, stand für die betont marktwirtschaftliche Ausrichtung der FDP seit den späten 70er Jahren. Anfang der 80er Jahre legte Lambsdorff seine Thesen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. Sozialdemokratische Positionen zur Beschäftigungspolitik nannte er einen „Gruselkatalog sozialistischer Marterwerkzeuge". Lambsdorff forderte eine drastische Beschneidung der Sozialleistungen und eine „investitionsfreundliche“ Strategie. Das „Lambsdorff-Papier“ gilt als „Scheidungspapier“ der sozialliberalen Koalition, die am 17. September 1982 zerbrach.

Unter Bundeskanzler Helmut Kohl blieb Lambsdorff zunächst im Amt – bis ihn die Flick-Parteispendenaffäre zum Rücktritt zwang. Es war einer der größten Skandale im Nachkriegsdeutschland. „Zur Pflege der politischen Landschaft“ – so nannte es Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch – hatte der Konzern alle im Bundestag vertretenen Parteien geschmiert. Lambsdorff selbst bekam mehrmals 30000 Mark. Er erteilte dem Flick-Konzern großzügige Steuerbefreiungen – doch ein Zusammenhang mit den Zahlungen konnte ihm nicht nachgewiesen werden. 1987 wurde er lediglich wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Weder für den Grafen selbst noch für seine Partei war die Verurteilung ein Grund, an Lambsdorffs Integrität zu zweifeln. 1988 wurde er zum neuen FDP-Vorsitzenden gewählt. Er nutzte die Tatsache, dass er nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden war, um seine Ansichten umso unverblümter zu formulieren.

Dann die deutsch-deutsche Vereinigung: Im August 1990 schlossen sich Ost- und West-Liberale als erste der großen Parteien zusammen und wählten Lambsdorff zum ersten Vorsitzenden der gesamtdeutschen FDP. Großzügig nahm die Partei die Liberalen der den ehemaligen DDR-Blockparteien in ihre Reihen auf, verzieh ihnen die ehemals sozialistische Ausrichtung. Die Rechnung ging auf: Bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 erreichte die FDP unter Graf Lambsdorffs Führung elf Prozent der Stimmen.

Danach allerdings begann Lambsdorffs Stern langsam zu sinken. Seine Personalvorstellungen für das Kabinett konnte er nur teilweise durchsetzen. Lambsdorff favorisierte Hermann Otto Solms, doch statt Solms wurde der forsch auftretende Jürgen Möllemann Wirtschaftsminister. Auf dem Parteitag 1991 in Suhl erreichte Lambsdorff nur noch 67 Prozent der Stimmen. Auch bezüglich der Nachfolge von Außenminister Hans-Dietrich Genscher unterlag er. Lambsdorff wollte Irmgard Schwaetzer, doch Klaus Kinkel wurde 1993 Parteichef.

Immerhin zollten dem Grafen politische Freunde und Gegenspieler weiterhin Respekt: SPD-Kanzler Gerhard Schröder beauftragte 1999 den FDP-Mann mit den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Lambsdorff schlug sich in den diffizilen Gesprächen mit Bravour, nicht zuletzt dank seiner exzellenten internationalen Verbindungen. Es wurde der letzte große Erfolg des „Markgrafen“.

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