Oskar Lafontaine: Der seltsame Auftritt

SAARBRÜCKEN - Einen Tag nach der Erklärung über seinen Krebs hält Lafontaine eine Wut-Rede im Landtag in Saarbrücken gehalten. Und die bestürzte Partei spricht über eine Zeit ohne ihn.
Eine Regierungserklärung im Saarländischen ruft normalerweise kein Interesse hervor – gestern war das anders: Es war der erste Auftritt von Oskar Lafontaine nach seiner Erklärung, dass er Krebs hat – und der vorläufig letzte, bis er im Januar über den weiteren Weg entscheidet. Es wurde eine etwas gespenstische Veranstaltung – auch wenn sich der Chef der Linken mit nichts anderem beschäftigte als der Landespolitik. Das dafür mit umso mehr Angriffslust.
Den Abgeordneten der Linken ist die Bestürzung bei ihrer Ankunft noch anzusehen. „Ja, äh, das kommt etwas ungelegen mit der, äh, Krankheit“, sagt Landeschef Rolf Linsler etwas hilflos. „Aber das kann ja jedem passieren, dass er mal krank ist.“ Mit „mal krank“ ist Krebs gemeint, aber die Saar-Genossen verbreiten Optimismus, dass Lafontaine im Januar bestimmt wiederkommt. Er selbst sagt den vielen Kamerateams nur, dass er keine Interviews gibt und nichts zur Art des Krebses sagt.
Im Plenum des Landtags kommt auch CDU-Ministerpräsident Peter Müller auf Lafontaine zu: „Politisch trennen uns Welten, aber menschlich wünsche ich Ihnen alles Gute, und dass die Operation glücklich verläuft.“ Dann hält erst Müller seine Rede. Lafontaine sitzt als Fraktionschef der Linken in der ersten Reihe und macht sich eifrig Notizen. Er beglückwünscht SPD-Mann Heiko Maas zu seiner tollen Rede – business as usual.
Lafontaine tobt, die anderen Parteien sind stumm
Dann ist er dran. Hält eine Rede über den Anstieg der Arbeitslosigkeit, über „die lieblichen Erklärungen“ des neuen Jamaika-Bündnisses, die aber keine Antworten auf die Herausforderungen seien. Die von Schwarz-Gelb geplanten Steuersenkungen führten in die Katastrophe, tobt er. Gegen Ende steigert er sich immer mehr in seine Angriffe hinein, laut beklatscht von den eigenen Leuten, stumm verfolgt von den anderen.
Seine Krankheit ist hier kein Thema – aber anderswo. Neben guten Wünschen wird auch über eine Zeit nach Oskar nachgedacht. „Ich glaube schon, dass die Linke ihn noch einige Jahre braucht“, sagt Bernd Riexinger, Landeschef Baden-Württemberg. Wenn er sich jetzt zurückzöge, „wär’ das ein ganz schlechter Zeitpunkt für die westlichen Parteibezirke“. Lafontaine könne eben „die Kritik am neoliberalen Kapitalismus am präzisesten auf den Punkt bringen“, so Riexinger. „Wir brauchen eine gute Außendarstellung. Das kann im Moment so niemand übernehmen.“
Bei anderen dagegen gibt es schon deutliche Absetzbewegungen, am lautesten von Bodo Ramelow, Landeschef in Thüringen: „Wichtig ist, dass sich die Linke gezielt vorbereitet auf die Zeit nach Oskar Lafontaine. Es muss sowieso ohne ihn gehen. Das hat nichts mit seiner Krebsoperation zu tun. Bei einem Lebensalter von 66 Richtung 67 muss man sich als Partei auf den Wechsel vorbereiten.“ Der Landesverband Berlin dagegen will Lafontaine umgehend auffordern, wieder als Parteichef zu kandidieren: „Er ist unser wichtigstes Sprachrohr.“ Und Gregor Gysi sagt: „Jetzt geht es erstmal drum, dass er bald wieder gesund wird.“
tan