Onkel Tarek und der Tod

Experten hegen Zweifel an dem Tod des meistgesuchten NS-Verbrechers Aribert Heim alias "Dr. Tod". Heim war Arzt im KZ Mauthausen: „Er war der schlimmste,“ sagen die Häftlinge.
Nach der Enthüllung um den Tod des meistegesuchten Nazi-Verbrecher Aribert Heim (AZ berichtete) hegen die zuständigen Experten Zweifel. „Es gibt kein Grab, keine Leiche und keinen DNA-Nachweis“, sagt Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, auf deren Liste der meistgesuchten Nazi-Verbrecher Heim ganz oben steht. Auch Joachim Riedel von der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ ist noch nicht überzeugt. „Es könnte sein, dass er längst unter der Erde liegt, aber so lange wir die Leiche des Mannes nicht haben, können wir den Fall nicht als vollständig geklärt ansehen.“ Deutsche Fahnder wollen jetzt in Kairo, wo Heim angeblich 1992 gestorben ist, nach Leiche Heims zu suchen.
Nach den Informationen von New York Times und ZDF hat Heim jahrzehntelang in Kairo gelebt, anfangs als Ferdinand Heim, später sei er zum Islam konvertiert und habe als Tarek Farid Hussein in einem Hotel gelebt, in dem er 1992 starb. Der Journalistin Souad Mekhennet, die für ZDF und New York Times arbeitet, war die Kopie eines bisher unbekannten Fotos von Heim zugespielt worden, mit dem Hinweis auf ein Hotel in Kairo.
Der Hotelportier erkennt den Mann wieder. „Ja, das ist Mr. Hussein, der Deutsche, der zum Islam übergetreten ist.“ Das TV-Team trifft auf die Söhne des Hotelbesitzers, für die Heim fast ein Familienmitglied war. „Onkel Tarek“ nannten sie ihn, der sich immer liebevoll um die Kinder gekümmert hat. Die Söhne geben den Journalisten eine Aktentasche aus dem Besitz des Tarek Hussein – mehr als 100 Dokumente präsentiert das ZDF nun, persönliche Briefe, medizinische Unterlagen, Anträge für Aufenthaltsgenehmigungen – laut ZDF zweifelsfrei Hinweise auf die Identität des gebürtigen Österreichers.
"Entweder lügt er jetzt, oder er hat früher gelogen"
Und das ZDF sprach mit Rüdiger Heim, dem Sohn des ehemaligen KZ-Arztes. Er bestätigt „Ja. mein Vater hat in Ägypten gelebt“, und er erzählt, dass er ihn seit den Sechzigern dort mehrmals besucht habe. 1990 habe er seinen Vater nach einer Darmkrebsoperation sechs Monate lang gepflegt, und er sei 1992 dabei gewesen, wie er in dem Hotelzimmer starb. „Entweder lügt er jetzt, oder er hat früher gelogen“, sagt Efraim Zuroff vom Wiesenthal-Center. Früher hatte Rüdiger Heim gesagt, er habe seit 1962 keinen Kontakt gehabt.
Für die Häftlinge von Mauthausen war Aribert Heim „Dr. Tod“. Er soll ihnen ohne Betäubung Organe entnommen haben, soll hunderte Juden durch Injektionen von Chemikalien direkt ins Herz getötet haben. „Von allen Lagerärzten war Heim der schrecklichste“, berichtet ein ehemaliger Gefangener vier Jahre nach Kriegsende. Von Juli bis November 1941 tat Heim Dienst in dem Konzentrationslager. Nach dem Krieg lebte er zunächst unbehelligt in Deutschland - trotz Zeugenaussagen und obwohl sein Vorgesetzter und der Lagerapotheker 1947 verurteilt und hingerichtet wurden. Bis heute halten sich Spekulationen, er habe einen Deal mit den Amerikanern gehabt. Ab Anfang der Fünfziger arbeitet Heim als Frauenarzt in Baden Baden. 1957 wird gegen ihn das erste Verfahren eingeleitet, 1962 erließ die Staatsanwaltschaft in Baden Baden einen Haftbefehl wegen Mordes – am gleichen Tag taucht Heim, der inzwischen zwei Kinder hat, ab. Seine Schwester unterstützte ihn jahrelang finanziell.
Skeptiker wundern sich: Wenn Aribert Heim seit 1992 tot ist – warum spricht der Sohn erst jetzt? Und wo ist der Leichnam? Rüdiger Heim, dem sein Vater nur eingestanden hat, dass er Arzt in Mauthausen war, die Gräueltaten aber immer leugnete, erklärte dem ZDF: Direkt nach dem Tod habe er dem Wunsch seines Vaters entsprechen wollen, zu schweigen. Sein Vater wollte außerdem seinen Körper der Forschung zur Verfügung stellen. Er hab den Toten in ein Krankenhaus gebracht und sich dort versichern lassen, dass genau das getan werde.
Erst drei Jahre später, so sagt Rüdiger Heim, habe er erfahren, dass der Leichnam wegen der islamischen Gebräuche aber kein Forschungsobjekt wurde, sondern in einem Armengrab beerdigt wurde. Nach dem werden die deutschen Fahnder nun suchen, um letzte Gewissheit vom Tod der Dr. Tod zu bekommen.
Tina Angerer