Omid Nouripour: „Der Minister ist dünnhäutig und nervös“

Karl-Theodor zu Guttenbergs Kritiker legen nach: Wie der Verteidigungsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour (34), der im Untersuchungsausschuss zum Luftschlag von Kundus sitzt, über den Vorwurf mangelnden Anstands denkt – und welche Fehler er dem Bundesminister der Verteidigung noch vorhält
von  Abendzeitung
Schnell weg hier: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verlässt das Plenum.
Schnell weg hier: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verlässt das Plenum. © dpa

Karl-Theodor zu Guttenbergs Kritiker legen nach: Wie der Verteidigungsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour (34), der im Untersuchungsausschuss zum Luftschlag von Kundus sitzt, über den Vorwurf mangelnden Anstands denkt – und welche Fehler er dem Bundesminister der Verteidigung noch vorhält

AZ: Herr Nouripour, sind Sie ein anständiger Politiker? Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vermisst bei der Bundestagsopposition „hohes Anstandsempfinden“ und sieht stattdessen „politischen Klamauk“...

OMID NOURIPOUR: Ich habe mich an dieser hochmoralischen Debatte nicht beteiligt und werde das auch weiterhin nicht tun. Da müssen alle Seiten inklusive des Ministers aufpassen, dass sie nicht den Rahmen der politischen Diskussion verlassen.

Wie fanden Sie die Rede des Ministers?

Der Minister war dünnhäutig, nervös und holzschnittartig. Da ist nicht mehr viel übriggeblieben von dem Strahlemann, der über den Wolken schwebt. Zudem fand ich es ausgesprochen unfair, dass er der Opposition in Gänze abgesprochen hat, Anteil zu nehmen am Schicksal eines in Kundus verletzten Soldaten.

Und Guttenbergs Vorhalt, dass die Opposition frühzeitig über die Hintergründe des Luftschlags in Kundus informiert war?

Erstens haben wir bestimmt nicht über alles Bescheid gewusst. Der Minister selbst hat einen ausgewachsenen Staatssekretär damit betraut, Unterlagen über den Luftschlag zusammenzutragen, als wäre das eine Schnitzeljagd. Aber es stimmt, dass wir ab dem 3. November dieselbe Informationsgrundlage hatten wie Herr Guttenberg. An diesem Tag haben wir den Isaf-Bericht erhalten, also die Bewertung der Nato-Führung. Und genau deswegen haben wir damals schon gesagt, dass es uns schleierhaft ist, wie man diese geheimen Papiere lesen und zu dem Ergebnis kommen kann, der Luftschlag vom 4.September sei militärisch angemessen und zwangsläufig gewesen. Wie um Gottes Willen kann man nach der Lektüre dieses Dokuments zu einem solchen Urteil kommen? Da fehlt mir jede Phantasie.

Sie durften die Berichte nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit einsehen…

Ich habe den Minister zweimal im Plenum des Bundestags aufgefordert, er möge einen eigenen schriftlichen Bericht vorlegen, damit wir eine Grundlage für eine öffentliche Diskussion haben. Den hat er bis heute nicht geliefert. Deswegen verstehe ich seine Angriffe eher als Ausfall in einer Verteidigungsnot.

Geht aus dem Nato-Bericht hervor, dass die internationalen Truppen dort gezielt Taliban töten sollen?

Wie gesagt: Ich darf über diesen geheimen Bericht öffentlich nicht reden. Ich kann Zeitungsartikel kommentieren, die ich zu diesem Sachverhalt gelesen habe. Diesen Artikeln kann ich - vorsichtig formuliert - nicht vollends widersprechen.

Wie müssen sich deutsche Soldaten am Hindukusch fühlen bei dieser aufgeheizten innenpolitischen Debatte?

Erst letzte Woche war ich selbst mit dem Minister vor Ort in Afghanistan. Und ich kann berichten: Die Verunsicherung unter den Soldaten ist riesig. Deswegen haben wir im Untersuchungsausschuss eine große Verpflichtung, die Balance zu halten zwischen Aufklärung und der Pflicht, die Bundeswehr nicht zu beschädigen. Was die Aufklärung betrifft, ist jetzt in erster Linie die Bundesregierung gefragt.

Verdeckt die aufgeregte Diskussion um Guttenberg und den entlassenen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan nicht die eigentliche Kernfrage: Befinden sich unsere Soldaten am Hindukusch im Krieg?

Es geht niemandem darum, den Soldaten die Hände auf den Rücken zu binden. So hat meine Fraktion nie kritisiert, dass die Soldaten in Gefechten auch nachsetzen dürfen. Der Punkt ist doch, dass wir es mit einem Vorfall zu tun haben, der die oberste Priorität der Einsatzregeln verletzt hat - nämlich alles daran zu setzen, dass zivile Opfer vermieden werden. Diese Prämisse ist nicht aus der hohlen Hand formuliert worden. Gerade die Amerikaner haben festgestellt, dass sie die zentrale Botschaft ist, wenn man die Herzen und Köpfe der Afghanen gewinnen will. Deshalb müssen wir dringend darüber reden, wie man einen solchen Vorfall in Zukunft vermeiden kann.

Zum Untersuchungsausschuss: Wen würden Sie gerne als ersten Zeugen vernehmen? Guttenberg oder Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Wir werden versuchen, uns mit der Koalition auf eine Reihenfolge der Befragungen zu einigen. Ganz oben auf der Liste sehe ich den derzeitigen Verteidigungsminister. Ehe ich Bundeskanzlerin Angela Merkel befrage, möchte ich gerne wissen, was sie wann vorliegen hatte.

Interview: Markus Jox

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