Olympia? Ja, aber...

Nach der Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes und dem Votum von IOC-Präsident Rogge gegen einen Boykott ist offensichtlich, Olympia 2008 wird in Peking stattfinden. Doch was soll nun geschehen angesichts der Gewalt in Tibet? Die AZ fragte nach.
von  Abendzeitung
OB Christian Ude fordert: Boykottiert die
OB Christian Ude fordert: Boykottiert die © Martha Schlüter

Nach der Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes und dem Votum von IOC-Präsident Rogge gegen einen Boykott ist offensichtlich, Olympia 2008 wird in Peking stattfinden. Doch was soll nun geschehen angesichts der Gewalt in Tibet? Die AZ fragte nach.

China seine Fehler klar machen!

Was jetzt in den Gremien des Sports sehr ernsthaft diskutiert werden sollte, ist, sich auf die Teilnahme an den sportlichen Wettbewerben zu beschränken. Und zum Beispiel auf die Eröffnungsfeier, die ja nur der Inszenierung des Gastgebers dient, zu verzichten. China macht mit den Fehlern in Tibet mehr kaputt, als mit allen olympischen Anstrengungen erreicht werden kann. Das sollte China klar werden.

Christian Ude ist Münchner OB und will die Olympischen Winterspiele 2018 in seine Stadt holen

Tibet im Auge behalten!

Man hätte von vornherein überlegen müssen, ob man die Olympischen Spiele nach China geben will. Jetzt mit Hauruck-Aktionen Zeichen zu setzen, bringt wenig und ist den Chinesen doch völlig egal. Man soll Tibet im Auge behalten und nicht nur plötzlich, weil Blut fließt, wieder das Unrecht entdecken, das dort seit 1959 passiert. Ich bin froh, dass ich in Peking keine Eröffnungsfeier inszenieren muss.

Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters, inszenierte die Eröffnungsfeier der Fußball-WM 2006 in München

Das IOC besser kontrollieren!

Ich plädiere für ein Vetorecht der Sportler. Sie sollten künftig über die Vergabe Olympischer Spiele mitentscheiden. Es wäre höchste Zeit, ein Gremium zu installieren, das das IOC kontrolliert. Es ist doch eine unsägliche Allianz, die das IOC mit China eingegangen ist. Der DOSB muss seine devote Haltung dem IOC gegenüber aufgeben, zudem muss die Olympische Charta geändert werden, nach der sich die Athleten nicht politisch äußern dürfen. Das sind erwachsene Menschen, denen erlaubt sein muss, ihre Meinung kund zu tun.

Heidi Schüller, Sprecherin des Olympischen

Mut haben, die Meinung zu sagen!

Man darf nicht alles hinnehmen und sagen: Ich fahre jetzt nach Peking, mache meinen Sport und der Rest ist mir wurscht. Ich hoffe, dass die Athleten den Mut haben, den Chinesen die Meinung zu sagen. Dass sie ihren Unmut äußern über die Situation bei den Menschenrechten und in Tibet. Auch wenn es mich nicht betreffen würde, weil ich eh nicht am Olympischen Triathlon teilnehme: Ich bin gegen einen Boykott, das bringt nichts. Bei Olympia hat man eine Plattform, sich zu äußern. Und in China werden sie Mühe haben, jedem Sportler einen Agenten auf die Füße zu stellen.

Faris al-Sultan, Triathlet und Ironman aus München

Nicht zu früh entscheiden!

Ich bin dagegen, bereits jetzt einen Boykott auszuschließen. Der DOSB hätte sich noch nicht äußern müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass das IOC Forderungen an China erhebt. Unter anderem, dass Journalisten aus allerWelt frei aus Tibet berichten können. Ob die Politik die Eröffnungsfeier boykottiert, sollte zeitnah entschieden werden. Es ist klug von der Bundesregierung, dass sie dazu bisher noch keine Entscheidung getroffen hat.

Ruprecht Polenz (CDU), Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag

Sponsoren ermahnen!

Man darf nicht mit dem moralischen Zeigefinger kommen. Kann ein Boykott die Menschenrechtssituation in China verbessern? Wohl nein. Aber Olympia- Sponsoren wie VW oder Adidas sollten versuchen, den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen, etwa durch Fortbildung für chinesische Mitarbeiter.

Notker Wolf ist Chef des Benediktinerordens, Buchautor und Wirtschaftsethiker

Keine China-Waren mehr kaufen!

Ich habe mir vorgenommen, chinesische Produkte, zum Beispiel Textilien, zu boykottieren. Auch die Olympischen Spiele kann ich mir nicht mit einem guten Gefühl ansehen – dabei liebe ich die Spiele eigentlich! Aber ich habe einfach keine Lust auf einen Gastgeber, der Blut an den Händen hat! Wenn ich nicht hingucke, dann interessiert das zwar erstmal niemanden, aber es ist immerhin ein Anfang. Auch beim Demonstrieren bin ich in den letzten Wochen zweimal gewesen. Ich bewundere den Dalai Lama dafür, dass er immer Gewaltverzicht predigt.

John „Erkan“ Friedmann (36), Comedian und Schauspieler

Die aktuelle Situation

Bei Protesten für die Freiheit Tibets sind in Westchina wieder mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Auch in Nepal und Tibet selbst gab es neue Unruhen. Die Angaben über die Gesamtzahl der Toten liegen nun zwischen 22 und 140. China kritisierte die Boykott-Debatte abermals scharf. Sie „verletzt den Olympischen Geist und ist unfair“, so das Außenministerium in Peking. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie sei grundsätzlich zu einem weiteren Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, bereit.

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