Özdemir macht Grünen Mut: Nach Jamaika-Aus Chancen nutzen
Berlin - Die Grünen stellen sich nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche auf vier weitere Jahre in der Opposition ein - betonen aber weiterhin ihre Gesprächsbereitschaft.
Wenn es wieder eine große Koalition gebe, komme es "massiv" darauf an, für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einzustehen, sagte Parteichef Cem Özdemir in Berlin. Im Parlament drohe ein Überbietungswettbewerb des Populismus von lins und rechts. "Da wird es ganz zentral auf uns ankommen", rief er den mehr als 800 Delegierten des Berliner Bundesparteitags zu.
Özdemir betonte die Gesprächsbereitschaft seiner Partei in der schwierigen Phase der Regierungsbildung: "Wir sind bereit zu Gesprächen mit allen demokratischen Parteien und bereit zu Kompromissen, die Deutschland und Europa voranbringen."
Lindner fehle es an der "notwendigen Demut"
Für das Scheitern der Gespräche für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen machte Özdemir vor allem die FDP verantwortlich. FDP-Chef Christian Lindner fehle es an der "notwendigen Demut". Der Ausstieg der FDP aus den Verhandlungen sei nicht inhaltlich, sondern taktisch begründet gewesen. Özdemir warb dafür, bei enttäuschten Wählern für die Grünen zu werben: "Lasst uns zugehen auf diejenigen, die sagen, ihr habt uns beeindruckt bei diesen Sondierungen", sagte er. "Es wäre schade, wenn wir diese Sondierung nicht nutzen." Dem Teil der FDP, der weltoffen und pro-europäisch sei würde er gern "ein Angebot machen".
Ungeachtet der bisher gescheiterten Regierungsbildung sei die Bundesrepublik nicht in einer Staatskrise. "Deutschland 2017 ist ganz sicher nicht Weimar", sagte Özdemir. Das Land sei aber nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern sei auch Stabilitätsanker für liberale Demokratie und Klimaschutz in Europa. Deshalb sei es bedauerlich, dass der französische Präsident Emmanuel Macron aus Berlin bisher keine Antwort auf seine Reformvorschläge bekommen habe.
Die Grünen wollten auf ihrem eintägigen Parteitag die Bundestagswahl und die geplatzten Jamaika-Sondierungen aufarbeiten. Eigentlich wollte der Parteitag entscheiden, ob die Grünen auf Basis der Sondierungsergebnisse Koalitionsverhandlungen aufnehmen - nach dem Abbruch der Gespräche durch die FDP hat sich das erledigt. Um Personalfragen geht es offiziell nicht, einen neuen Vorstand wollen die Grünen erst Ende Januar wählen. Özdemir will dann nicht mehr antreten. Nur im Fall von Neuwahlen soll die Parteispitze vorerst weiter im Amt bleiben.