Obamas Mister Außenpolitik

In Denver beginnt der Nominierungsparteitag der Demokraten. Der junge Brack Obama holt sich einen 65-jährigen Senatoren-Haudegen an seine Seite. Joe Biden soll Vizepräsident werden. Rivale John McCain bezeichnete die Nominierung seines „guten Freundes“ als „sehr kluge Wahl“ - und lässt sofort Anti-Biden-Spots senden.
Von Markus Jox
Die große Show beginnt mit einem peinlichen Patzer: Als Barack Obama am Samstag vor dem alten Kapitol von Springfield unter den Klängen von Bruce Spingsteens „The Rising“ Senator Joe Biden als seinen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten präsentiert, ruft er den zehntausenden Anhängern zu: „Hier stelle ich euch den nächsten Präsidenten...“. Erst dann korrigiert sich Obama: „den nächsten Vizepräsidenten der USA vor“. Und die beiden ranken Herren in ihren gestärkten weißen Hemden strahlen mit ihren Ehefrauen um die Wette und knuddeln sich unter dem blauen Himmel von Illinois.
Dabei ist es eigentlich der redselige 65-jährige Jurist mit dem schlohweißen Schopf, der für seine rhetorischen Fertigkeiten und Fehlgriffe berühmt und berüchtigt ist. So trat Biden, als er noch selbst Präsidentschaftskandidat war, mit einer wenig charmanten Äußerung über seinen Mitbewerber voll ins Fettnäpfchen: Er halte Obama, plapperte Biden, „für den ersten Afro-Amerikaner, der redegewandt, klug, sauber und ein gut aussehender Kerl ist“. Postwendend musste Biden Abbitte leisten. Im Wahlkampf 1988 wiederum hatte Biden das Handtuch werfen müssen, nachdem aufgeflogen war, dass er aus Reden des damaligen britischen Labour-Chefs Neil Kinnock abgekupfert hatte.
Bei seinem ersten offiziellen Auftritt als Obamas „running mate“ ist das freilich alles vergessen: Biden, zunächst Befürworter, dann Kritiker des Irak-Kriegs, greift den republikanischen Kandidaten John McCain ebenso scharf an wie den amtierenden Präsidenten George W. Bush: Er kenne und schätze McCain zwar seit 30 Jahren, aber dieser habe Bushs Politik bislang „zu 95 Prozent“ unterstützt.
Nie während seiner langen Karriere in Washington sei es so schlecht um die Politik in der Hauptstadt bestellt gewesen wie derzeit, so Biden: „Aber es gibt gute Neuigkeiten: Wir müssen keine vier Jahre Bush und McCain mehr ertragen.“ Mit der Wahl „Barack Amerikas“, wie er Obama einmal nennt, könne der amerikanische Traum zurückgewonnen werden. Er habe die Vision und die Kraft, das Land zu verändern. „Es ist unsere Zeit“, ruft Biden aus.
Obama lobt seinen Vizekandidaten natürlich überschwänglich: Biden sei „der Kämpfer, den ich an meiner Seite haben will“. Im Notfall sei dieser auch in der Lage, einzuspringen und Präsident zu sein. „Jahrzehntelang hat er Veränderung nach Washington gebracht“, preist Obama Biden, „aber Washington hat ihn nicht verändert“. Vor allem seine Biografie beweise, dass er „ein Mann von Charakter, Stärke und Durchsetzungsfähigkeit“ sei. Joe Biden sei in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, breitet Obama die persönliche Tragödie des Senators aus: Nach dem Unfalltod von Frau und Kind habe Biden seine zwei überlebenden Söhne zunächst alleine großgezogen, außerdem habe er zwei lebensbedrohliche Hirn-Aneurysmen überstanden.
Die Reaktionen auf Obamas Vizekür fielen überwiegend positiv aus: Der erst 47-jährige Kandidat setze eben auf ein erfahrenes Schlachtross, kommentierten Polit-Beobachter in den USA die Entscheidung. Schließlich sei Obama, als Biden vor über 35 Jahren erstmals in den Senat gewählt worden sei, noch ein elfjähriger Junge gewesen. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und Angehöriger des Washingtoner Establishments bringe Biden jede Menge Erfahrung mit und gleiche so eine Schwachstelle Obamas aus: Vor allem bei weißen Wählern aus den unteren Bevölkerungsschichten will der Kandidat noch möglichst viel Boden gutmachen.
Rivale John McCain bezeichnete die Nominierung seines „guten Freundes“ als „sehr kluge Wahl“, ließ aber gleichzeitig sofort Anti-Biden-Spots senden. Seinen eigenen Vize-Kandidaten wird er Ende dieser Woche vorstellen. Das Gespann Obama/Biden wird offiziell auf dem viertägigen Parteitag der Demokraten nominiert, der heute in Denver beginnt. Zu der gigantischen Polit-Show im „Pepsi-Center“ werden 50000 Gäste erwartet, darunter 5000 Delegierte und 15000 Medienvertreter.