Obama zieht die Irak-Truppen ab: Bilanz eines Krieges
WASHINGTON/BAGDAD - Barack Obama holt die amerikanischen Soldaten aus dem Irak nach Hause, nicht so schnell wie versprochen, aber immerhin. Hat das Land eine Chance auf Normalität?
Der Abzug der Amerikaner aus dem Irak nimmt Gestalt an: US-Präsident Barack Obama präsentierte am Freitag seinen Plan, wie er den Krieg endgültig beenden will. Bis August nächsten Jahres soll der Großteil der momentan 142000 Soldaten das Land verlassen. Allerdings: Bis zu 50000 bleiben länger, mindestens bis 2011. Die AZ zieht Bilanz:
Hält Obama damit sein Wahlversprechen? Ja und Nein. Einen Abzug ohne Wenn und Aber innerhalb von 16 Monaten nach Amtsübernahme hatte Obama im Wahlkampf versprochen – für die Amerikaner war dies eines der wichtigsten Wahlmotive nach den traumatischen Erfahrungen mit der Regierung Bush. Nun zögert sich der Abschied heraus und er ist nicht komplett. Entsprechend frostig die Stimmung in Obamas eigener Partei. Die mächtige Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, nannte die Zahl der verbleibenden Soldaten „zu hoch“. Ähnlich äußerten sich andere Parteifreunde Obamas. Der Präsident hatte noch versucht, die Lage zu entschärfen, und lud führende Demokraten eigens ins Weiße Haus – ohne Erfolg. „Obama sah sich scharfer Kritik gegenüber“, berichtete die „Washington Post“ danach.
Wie viele Menschen starben im Irakkrieg? Das Zahlenmaterial ist unübersichtlich. Die Angaben über durch den Krieg direkt, mittelbar oder durch Terroranschläge gestorbene Iraker schwankt drastisch, nämlich zwischen gut 100000 und einer Million. Relativ genau sind demgegenüber die militärischen Statistiken. 4553 Soldaten der Koalitionstruppen bezahlten bisher den Einsatz mit dem Leben, darunter mit 4237 der Löwenanteil Amerikaner. Auf irakischer Seite starben knapp 9000 Militär- und Polizeikräfte sowie 1000 Angehörige privater Sicherheitsunternehmen. Ebenfalls im Irak gestorben: 222 Journalisten und ihre Helfer.
Für Entsetzen in den USA sorgte auch eine andere, kleinere Zahl, die auf schwere psychische Belastungen bei den Soldaten schließen lässt: Im Januar 2009 starben erstmals mehr amerikanische Armeeangehörige durch Selbstmord (24) als durch Kämpfe (16).
Was kostete der Krieg? Auch hier gibt es widersprüchliche Zahlen. In verschiedenen Bilanzen werden als Kosten auf amerikanischer Seite Summen zwischen 500 und 600 Milliarden Dollar genannt (390 bis 470 Milliarden Euro). Das ist zehnmal mehr, als die US-Regierung bei Kriegsbeginn veranschlagt hatte, aber womöglich immer noch zu wenig. Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz errechnete bereits 2008 Gesamtkosten von drei Billionen Dollar (2,35 Billionen Euro), in Zahlen: 3000000000000.
Gibt es einen Weg ins normale Leben? Zumindest gibt es ermutigende Zeichen. Das Land ist sicherer geworden, es gab Regionalwahlen, die geordnet abliefen. Und Besucher berichten, so wie der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler im AZ-Interview, von einem „unbedingten Willen zum Wiederaufbau“ in der Bevölkerung. Als positives Signal gilt auch das steigende Interesse der Wirtschaft am Irak – auch in Deutschland, das sich aus dem Krieg heraushielt und eine Zerreißprobe fürs deutsch-amerikanische Verhältnis in Kauf nahm. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war kürzlich mit einer Wirtschaftsdelegation in Bagdad, auch Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) startete nun eine Irak-Initiative. Für die Wirtschaft gebe es „riesiges Potential“.
mue