Obama oder Romney: AZ erklärt die Wähler-Gruppen
Die USA sind ein klassisches Einwanderungsland, der viel beschworene „Melting Pot“ (Schmelztiegel). Deshalb sind die Wählerschichten viel heterogener als in Deutschland. Barack Obama hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, Brücken über die ideologischen Gräben zwischen den gesellschaftlichen Schichten in den USA zu bauen. Doch das hat er nicht geschafft: Die USA sind gespaltener denn je. Wer die Wahl in den USA entscheidet, bei wem Obama und bei wem Romney die größeren Chancen hat – die AZ stellt die wichtigsten Gruppen vor.
Die Afroamerikaner. Sie haben bei der vergangenen Wahl zu 95 Prozent für Barack Obama gestimmt, den ersten afroamerikanischen Präsidenten in der Geschichte der USA. Natürlich ist diese Wählergruppe sehr unterschiedlich zusammengesetzt: Mittelschicht-Angehörige gehören dazu wie Mitglieder der Arbeiterklasse. Junge und Alte, Uniprofessoren, Rechtsanwälte, Banker, Hausfrauen und Busfahrer – sie alle sind für Obama. Mitt Romney kommt bei ihnen auf praktisch null Prozent Zustimmung. Allerdings könnte die Wahlbeteiligung unter den Schwarzen geringer ausfallen als beim letzten Mal. Viele Schwarze sind enttäuscht, weil Obama weniger erreicht hat, als sie sich erhofft hatten. Die Wirtschaftskrise hat die Schwarzen hart getroffen.
Die Hispanics.Die spanischsprachige Minderheit ist die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe der USA. Sie sind Einwanderer und deren Nachkommen aus Lateinamerika, Kuba, Puerto Rico. Die meisten von ihnen wählen demokratisch, bei der letzten Wahl stimmten nur 31 Prozent für den republikanischen Kandidaten. Gleichzeitig ist der Anteil der Unentschlossenen unter den Hispanics sehr groß – deshalb werden sie auch heftig umworben. Beide Kandidaten schalten Werbespots auf Spanisch, versuchen, bei Auftritten ein paar Brocken Spanisch in ihre Reden einfließen zu lassen. Barack Obama hat vor kurzem eine Amnestie für illegale Einwanderer erlassen – weil viele von ihnen Hispanics sind, wird das ihm bei dieser Bevölkerungsgrupppe womöglich Punkte bringen. Für viele Hispanics ist aber auch die Wirtschaft das entscheidende Wahlthema – das könnte Romney in die Hände spielen.
Die weiße Mittelschicht. Bisher eine der größten Wählergruppen, aber stetig schrumpfend. Die Mittelschicht-Amerikaner leben in den Vorstädten, sind christlich-konservativ, aber nicht radikal, arbeiten in so genannten „white collar jobs“ (für: weißer Kragen, also in klassischen Büro-Angestelltenjobs) und haben im Schnitt zwei Kinder. In der Wirtschaftskrise haben sie die größte Abstiegsangst. Sie sind vor allem in den unentschlossenen Swing States eine wichtige Wählergruppe. Tendenziell wählt die weiße Mittelschicht eher republikanisch.
Die weiße Arbeiterklasse. Sie sind einfache Bürger ohne College-Abschluss, so genannte „blue collar worker“ (wegen der blauen Arbeitsoveralls). Sie arbeiten oft in der Automobil-, Schwer- und Metallindustrie (zum Beispiel im so genannten „Rostgürtel“ im Nordosten der USA). Früher waren sie eher demokratisch eingestellt, das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Bei den Kongresswahlen 2010 haben die Arbeiter überproportional republikanisch gewählt. Sie sind besonders von der Krise betroffen.
Die Evangelikalen. Es gibt zig Abstufungen christlich-fundamentalistischer Wählergruppen in den USA. Ihnen allen gemeinsam ist eine sehr radikale Auslegung der Bibel, für sie greift Gott täglich in die Politik ein. Sie glauben an das Paradies, das Jüngste Gericht, den Satan und die Hölle. Persönliches Versagen ist in ihren Augen eine Strafe Gottes. Der Staat soll Armen und Kranken deshalb auch nicht helfen und sich aus allem möglichst heraushalten. Obamas Gesundheitsreform Medicare halten sie für Sozialismus. Sie sind meistens weiße Mittelschicht-Angehörige und leben vor allem im ländlichen Südwesten der USA (dem Bible Belt). Mitt Romney ist ihnen als Mormone zwar suspekt, aber besser als Obama.
Die Tea-Party-Anhänger. Unter ihnen finden sich ebenfalls viele konservative Christen. Benannt haben sie sich nach der „Boston Tea Party“, als Koloniebewohner im Jahr 1773 gegen eine von Großbritannien aufgedrückte Steuer protestierten und Tee im Bostoner Hafen versenkten. Staatsferne ist deshalb auch das Hauptanliegen der Tea-Party-Anhänger: So wenig staatliche Intervention wie möglich, keine Steuern, Abbau der Staatsschulden. Sie sehen sich als die letzten Verteidiger des Kapitalismus. Außerdem fordern sie einen Einwanderungsstopp. Der typische Tea-Party-Anhänger ist älter als 45, männlich, weiß, höher gebildet und wohlhabend. Hier hat Obama keine Chance. Mitt Romneys Vizepräsidenten-Kandidat Paul Ryan ist ein Liebling der Tea-Party-Bewegung.
Die Juden. Amerikanische Juden machen rund vier Prozent der Gesamtwählerschaft aus. Dennoch werden sie von Obama und Romney eifrig umworben, denn die meisten jüdischen Wähler leben in wichtigen Swing States wie Ohio, Pennsylvania und Florida. 2008 stimmten 80 Prozent der Juden für Obama. Nach Ansicht von Wahlforschern wird auch jetzt die Mehrheit wieder Obama wählen – allerdings gewinnt Romney an Boden. Wichtige Themen für jüdische Wähler sind laut dem US-Blog „Open Zion“ zuerst die Wirtschaft, dann Sozialpolitik und erst auf Platz drei das Verhältnis der USA zu Israel.
Zu guter Letzt gibt es noch drei weitere Gruppen, die sich auch mit anderen Wählergruppen überschneiden:
Die Jungen. Junge Erwachsene zwischen 18 und 29 sind bei der letzten Wahl 2008 so zahlreich wie noch nie an die Wahlurnen geströmt. Egal ob junge Weiße, Afroamerikaner oder Hispanics – sie alle haben sich von der Obama-Aufbruchsstimmung mobilisieren lassen. Diese ist allerdings ziemlich abgeflaut. Mit Romney können die Jungen dagegen eher nichts anfangen.
Die Frauen. Bei ihnen ist Obama ebenfalls besonders beliebt. Er kümmert sich um Themen, die ihnen am Herzen liegen: Bildung, Gesundheit, Gleichstellung. Außerdem ist Obama für einen freien Zugang zu Verhütungsmitteln und ein Recht auf Abtreibung. Die Republikaner haben sich bei dem Thema nachhaltig ins Aus befördert: Erst vor kurzem hatte Senatskandidat Todd Akin gesagt, Frauen würden nach Vergewaltigungen nicht schwanger – der Körper habe Wege, dies zu verhindern.
Die Schwulen und Lesben. Sie gehören zu den finanzkräftigsten Spendern der Demokraten. Dass US-Präsident Obama sich vor kurzem öffentlich für die Homo-Ehe ausgesprochen hat, wird ihm von dieser Wählergruppe viele Stimmen bringen. Zwar bezeichnen sich nur vier Prozent aller Wähler als LGBT (kurz für: Lesbian, Gay, Bisexual, Trans), aber sie können einen Unterschied machen: Ihr Mobilisierungsgrad ist sehr hoch und in Staaten wie North Carolina und Virginia gaben sie 2008 ganz knapp den Ausschlag für Obama.
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