Obama, Brown, Merkel: Der Gipfel von London

Politik- und Finanzwelt blicken auf London: In der britischen Hauptstadt beginnt am Donnerstag der Weltfinanzgipfel der 20 führenden Wirtschaftsnationen. Schon vor dem offiziellen Auftakt am Abend versuchten die Staatschefs, gemeinsame Linien bei der Bekämpfung der Krise zu finden.
von  Abendzeitung

LONDON - Politik- und Finanzwelt blicken auf London: In der britischen Hauptstadt beginnt am Donnerstag der Weltfinanzgipfel der 20 führenden Wirtschaftsnationen. Schon vor dem offiziellen Auftakt am Abend versuchten die Staatschefs, gemeinsame Linien bei der Bekämpfung der Krise zu finden.

Am Vormittag trafen sich US-Präsident Barack Obama und Großbritanniens Premierminister Gordon Brown. Obama hält die Wirtschaftskrise für die schwerste seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie könne nur gemeinsam gelöst werden, um zu garantieren, „dass so eine Krise nie wieder passiert“, sagte Obama nach dem Treffen mit Brown. Er sei nach London gekommen, um zuzuhören. „Wir können die Herausforderung nur gemeinsam meistern“, sagte er. Es müssten strenge Regeln für die globale Finanzwirtschaft beschlossen werden.

Brown und Obama erteilten protektionistischen Maßnahmen zum Schutz der heimischen Volkswirtschaften eine klare Absage. Der britische Premier erwartet schwierige Verhandlungen. Großbritannien und die USA seien entschlossen, die „beispiellose“ Wirtschaftskrise gemeinsam zu bekämpfen, sagte Brown am Mittag nach einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama. Es handele sich um eine globale Krise, auf die es globale Antworten geben müsse.

Am Abend wurde dann als erster Barack Obama mit seiner Frau Michelle von der Queen empfangen, stilgemäß zum Tee. Obwohl er mit Monarchen vergleichsweise unerfahren ist, blieb er cool. Als die britische Königin ihn fragte, ob er nicht unter Jetlag leider, meinte er grinsend: "Doch. Ich bin stolz, dass ich bei keinem Treffen eingenickt bin." Als Geschenk hatte er ihr einen iPod mitgebracht.

Danach gab es ein großes Abendessen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam als Tischherren Barack Obama zugeteilt; Michelle Obama saß an der Seite von Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling. Gekocht hat Jamie Oliver: Es gab Bio-Lachs mit Meerfenchel und Waliser Lamm mit Wildchampignons.

Skeptische Töne kamen im Vorfeld des Gipfels von Deutschland und Frankreich. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy appellierten bei einem gemeinsamen Auftritt in London eindringlich an die G-20-Staaten, beim Gipfel schärfere Regeln für die globalen Finanzmärkte zu beschließen. Die CDU-Chefin forderte besonders, dass eine schwarze Liste mit Steueroasen aufgestellt wird und dass Ratingagenturen und Hedgefonds einer schärferen Kontrolle unterworfen werden. Der Gipfel müsse den Menschen weltweit zeigen, „dass wir unsere Lektion gelernt haben und dass wir alles daran setzen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt“.

„Wir wollen Ergebnisse, die auch wirklich ein Resultat sind und die die Welt verändern“, sagte Merkel. Sarkozy kündigte an, dass Frankreich und Deutschland beim Gipfel mit einer Stimme sprechen werden. „Unsere Ziele sind dieselben“, sagte er. „Wir fordern Ergebnisse.“ Sein Ziel seien Grundsätze für eine neue Regulierung der Finanzmärkte.

Neue Abrüstungsrunde

Am Mittag traf sich Obama erstmals mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Beide kündigten an, dass die USA und Russland sich möglichst noch vor Dezember auf ein neues Abrüstungsabkommen einigen wollen. Die Übereinkunft solle möglichst noch vor dem 5. Dezember erzielt werden, wenn der erste Abrüstungsvertrag für strategische Atomwaffen (START I) von 1991 abläuft. Obama kündigte für Juli einen Besuch in Moskau an.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sagte, die USA und Russland wollten die Zahl ihrer jeweiligen Atomsprengköpfe verringern, hätten aber bislang noch kein spezifisches Ziel vereinbart. Obama betonte, beide Seiten machten „großartige Fortschritte“. Medwedew erklärte, die geplanten Gespräche würden die Grundlage für weitere Fortschritte im Verhältnis zu den USA legen.

Merkel sagte vor ihrer Abreise nach London, sie fahre mit einer „Mischung aus Zuversicht und Sorge“ nach London. „Die Welt steht am Scheideweg“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Wir müssen alles daran setzen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt.“ Deutschland werde sich im Kreis der G20-Staaten für „sehr konkrete Vereinbarungen“ einsetzen, von denen man sich nicht zurückziehen kann“. Eine Rückkehr zum Protektionismus „wäre die falscheste Antwort auf diese Situation“, sagte Merkel in Berlin.

Und Michelle?

Fast genauso viel Interesse wie der Finanzgipfel ruft in London die amerikanische First Lady hervor: Michelle Obama trat bei ihrem ersten Besuch als Präsidentengattin in der Downing Street in London in einem hellgrünen Bleistiftrock mit einem cremefarbenen funkelnden Strickjäckchen der amerikanischen Marke J.Crew auf. Dazu trug sie Perlenschmuck. Reporter betonten, die US-Regierung lege Wert darauf, dass das Outfit in Zeiten der Krise nicht zu luxuriös sei. Ihr Mann Barack trug zum dunklen Anzug eine blaue Krawatte mit schwarzen und weißen Streifen.

Während sich der US-Präsident am Mittwochmorgen mit dem britischen Premier Gordon Brown zum Frühstück und Gesprächen zurückzog, machten sich Michelle Obama und Sarah Brown zu einem Besuch eines Krebszentrums auf. Sie traf sich dort mit der Familie eines Patienten und sprach mit drei weiteren Krebskranken.

Proteste: "Bestraft die Plünderer"

Unterdessen haben sich Tausende Gegner des G20-Gipfels in London zu mehreren Protestveranstaltungen versammelt. Mit lauten Sprechchören wie „Stürmt die Bank!“, „Schande über Euch“ und Plakaten mit „Kapitalismus funktioniert nicht“ zogen sie durch das Londoner Bankenviertel. Kurz nachdem sich die Mischung aus Anarchisten, Umweltschützern, Kriegsgegnern um die Englische Notenbank mit Spruchbändern, Flaggen und Trillerpfeifen versammelt hatte, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Mit Gewalt versuchten Demonstranten, die Bank of England zu stürmen. Später attackierten Protestierende – zum Teil vermummt – die Polizei mit Stangen.

Wurfgeschosse wie Früchte und Farbbeutel flogen in Richtung Polizei, roter Rauch stieg über den Köpfen auf. Die Beamten schienen dabei Mühe zu haben, die Masse in Schach zu halten, mit ihren gelben Leuchtwesten drohten sie in der Menge unterzugehen. Eine Gruppe Randalierer versuchten sie mit Schlagstöcken zurückzuhalten. Medien berichteten von mehreren Festnahmen. Das Fernsehen zeigte Bilder von einem verletzten Polizisten.

Der Gipfel am Mittwoch

seit 21.30 Uhr: Arbeitsessen der Staats- und Regierungschefs beim britischen Premierminister Gordon Brown in Downing Street Nummer 10. Dort kocht Jamie Oliver.

Der Gipfelfahrplan am Donnerstag

08.30 Uhr: Staats- und Regierungschefs versammeln sich zum G20-Gipfel im Tagungszentrum Excel im Osten Londons, Gipfelgegner wollen sich vor der Londoner Börse versammeln.

09.30 Uhr: Gemeinsames Arbeitsfrühstück der Staats- und Regierungschefs.

10.00 Uhr: Gipfel-Gegner wollen vom Süden Londons in Richtung Tagungszentrum ziehen.

11.00 Uhr: Familienfoto der Staats- und Regierungschefs.

11.20 Uhr: Vormittags-G20-Beratungen.

14.00 Uhr: Mittagessen der Staats- und Regierungschefs.

15.30 Uhr: Nachmittags-G20-Beratungen.

16.30 Uhr: Abschluss-Pressekonferenz mit Premierminister Gordon Brown.

17.50 Uhr: Rückflug Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Deutschland.

18.15 Uhr: Vortrag des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew bei der London School of Economics.

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