NS-Fahnder: „Unser Material gegen Demjanjuk reicht aus“
Kurt Schrimm ist Chef der Justizbehörde zur Aufklärung von NS-Verbrechen. Im AZ-Interview erzählt der Oberstaatsanwalt, wie er Iwan Demjanjuk vor Gericht bringen will.
AZ: Herr Schrimm, was bedeutet die Entscheidung des BHG für Sie?
KURT SCHRIMM: Wir sind erleichtert, dass die Sache geklärt ist.
Welche Beweise haben Sie?
Der entscheidende Beweis ist der Dienstausweis Demjanjuks, aus dem hervorgeht, wann er sich in Sobibor als Aufseher aufgehalten hat. Es liegen Aussagen vor, aus denen eindeutig hervorgeht, wie die Aufseher in diesem Lager handelten. Jeder Aufseher hatte die gleichen Aufgaben: Sie holten die Menschen aus den Zügen, brachten sie in die Entkleidungsstation, führten sie in die Gaskammern, begruben ihre Leichen. Jeder Aufseher, der dort tätig war, war an diesen Vorgängen beteiligt. Viele der früheren Aufseher redeten sich damit raus, sie hätten die Gefangenen in den Arbeitslagern nur bei der Arbeit bewacht. Sobibor war jedoch ein reines Vernichtungslager. Jeder, der dort beschäftigt war, wusste was dort geschah.
Ist Demjanjuk der berüchtigte „Iwan der Schreckliche“?
Iwan der Schreckliche könnte auch jemand anders sein. Er spielte er nur eine Rolle im Lager Treblinka. Und in diesem Fall wurde Demjanjuk in Israel angeklagt und aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Wir werfen Demjanjuk vor, dass er durch seine Aufsehertätigkeit in Sobibor dazu beigetragen hat, dass die Tötung von 29000 Menschen möglich wurde. Ob er Gas in die Kammern geleitet hat, wissen wir nicht. Wir werfen ihm Beihilfe zur Tötung vor.
Viele NS-Verbrechen werden trotzdem ungesühnt bleiben. Was behindert Ihre Arbeit ?
Vor allem die vergangene Zeit und die Beweismittel. Es gibt sicherlich Hinweise aus Akten aus den Jahren 1945, 1946, die in Russland lagern. Die finden wir jedoch nur sehr schwer. Auch gibt es nur noch wenige Zeugen.
Welche Möglichkeiten hat die Münchner Staatsanwaltschaft?
Es gibt drei Möglichkeiten: Die Staatsantwaltschaft kann sagen, dass sie nicht überzeugt ist. Dann wird das Verfahren eingestellt. Die zweite Möglichkeit: Die Staatsanwaltschaft zeigt sich noch nicht überzeugt und stellt eigene Ermittlungen an. Die dritte Möglichkeit: Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt und stellt einen Auslieferungsantrag an die USA. Dann kommt es zum Prozess in München. Unserer Meinung nach reicht unser Material dafür aus.
Interview: vth
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