NRW: Koalitionsvertrag ist unterschrieben

DÜSSELDORF - Mit viel Aufmerksamkeit bis ins letzte Detail zelebrieren Kraft und Löhrmann den Start ihres NRW-Bündnisses. Wird die Minderheitsregierung auch zum Modell für Berlin?
Da hatten die Meister der Farb-Choreographie wirklich noch ans letzte Detail gedacht. Der Koalitionsvertrag fein säuberlich in rot und grün gestylt. Die Zettel auf den Sitzen, die den beiden neuen Chefinnen der Koalition, Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann, die Plätze freihielten: ebenfalls rot-grün im Sinne des neuen Düsseldorfer Looks. Und so ging es weiter gestern in Düsseldorf in der frisch wiedereröffneten nordrhein-westfälischen Kunstsammlung, die sich Rot-Grün als Ort für den Festakt zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrags ausgesucht hatte: rot-grüne Bändchen am Vertrag, rot-grüne Füller. Wenn am Ende Kraft und Löhrmann mit rot-grünen Strähnchen im Haar aufgetreten wären, hätte sich auch keiner mehr gewundert.
Es ist mehr als nur ein Farbenspiel, es ist die Rückkehr einer Idee. Schon einmal ging der Wechsel zu Rot-Grün im Bund von einer solchen Konstellation in NRW aus. Dementsprechend euphorisiert zeigten sich gestern die Anführer der Düsseldorfer Neuauflage. „Es ist ein großes Gefühl, hier mit allen zu stehen und das Werk zu vollenden“, jubelte Kraft. „Der Koalitionsvertrag ist ein gutes Werk und wird NRW gut tun.“
Ein Parteitag der Linken hatte der Landtagsfraktion empfohlen, die Wahl von Kraft zur Ministerpräsidentin durch Enthaltung zu ermöglichen. Im NRW-Landtag genügt ab dem zweiten Wahlgang bereits eine einfache Mehrheit der Stimmen. Bei SPD und Grünen geht man nach ddp-Informationen davon aus, dass alle 90 rot-grünen Parlamentarier bei der geheimen Wahl für Kraft votieren werden.
Bei soviel Pathos könnte fast in Vergessenheit geraten, dass es nur eine Minderheitsregierung ist, die in Düsseldorf am Ruder ist. Schon zum Auftakt ist sie auf die Tolerierung durch die Linke angewiesen, wenn morgen Kraft zur Ministerpräsidentin gewählt wird (siehe Kasten unten). Doch schon elektrisiert die Vision, auch in der Minderheit regieren zu können, die Genossen. Parteichef Sigmar Gabriel ließ am Wochenende aufhorchen, als er Bündnisse ohne stabile Mehrheit zum Modellfall adelte: Minderheitsregirungen seien zwar „nichts, was man anstrebt“, sagte Gabriel. Um gleich hinzufügen: „Aber sie können wie in NRW und übrigens in vielen Ländern Europas manchmal das Ergebnis von Wahlen sein.“
Denkt Gabriel da auch an Berlin? Gegenwärtig hätte Rot-Grün auch mit Tolerierung durch die Linke keine Mehrheit im Bundestag. Außer Schwarz-Gelb geht in Berlin nichts – beide müssten sich schon total zerstreiten, um SPD und Grüne an die Regierung zu lassen. Bei Neuwahlen sähe es anders aus: SPD und Grüne kratzen in den Umfragen auch ohne Linke an der 50-Prozent-Marke.
Schwarz-Gelb hat die Botschaft schon verstanden. FDP-Chef Guido Westerwelle: „Ab dieser Woche ist die Katze aus dem Sack.“ Der Außenminister mutmaßt, dass Rot-Grün in NRW als Probelauf für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit in Berlin herhalten soll. Da beeilt sich selbst die Linke, sich nicht zu schnell ins Boot holen zu lassen: Es gebe keine Vereinbarungen für eine Tolerierung, sagt Parteigeschäftsführerin Caren Lay. Man wolle erstmal nur eines: Die Abwahl von Schwarz-Gelb nicht blockieren. [AUTOR_ENDE]
mue