NPD verklagt Bundespräsident Joachim Gauck in Karlsruhe

Joachim Gauck hatte NPD-Parteigänger als "Spinner" bezeichnet. Die Partei hat ihn nun beim Bundesverfassungsgericht verklagt. Am Dienstag fällt die Entscheidung
Jürgen Oeder |
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Ein Bundespräsident soll repräsentieren und ab und an denkwürdige Reden halten, so die allgemeine Erwartung. Aber darf er die von ihm verlangte Zurückhaltung aufgeben und Rechtsradikale auch mal als "Spinner" bezeichnen, wie es Bundespräsident Joachim Gauck getan hat? "Nein" – sagt jedenfalls die rechtsextreme NPD. Sie verklagte Gauck wegen Beleidigung vor dem Bundesverfassungsgericht, das am Dienstag darüber verhandelt.

Mit womöglich weitreichenden Folgen: Karlsruhe könnte den Maulkorb durchaus etwas lockern, der die Beteiligung der Bundespräsidenten an der politischen Diskussion seit der Zeit von Theodor Heuss erheblich beschränkt hat. Anlass der NPD-Klage war eine Äußerung Gaucks, die wohl jeder Parlamentarier unterschreiben dürfte: Der Bundespräsident hatte im August 2013, also vor den Bundestagswahlen, in Hinblick auf ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf vor mehreren hundert Schülern gesagt: "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen."

In den Niederungen

Ob Gauck sich mit der Äußerung zu weit in die Niederungen des parteipolitischen Meinungskampfes begeben hat, ist nun die Frage. Leicht zu beantworten ist sie nicht. Selbst die Homepage des Bundespräsidalamts gibt dazu keine eindeutige Antwort. Dort heißt es, dass sich "das Staatsoberhaupt in aller Regel mit öffentlichen Äußerungen zu tagespolitischen Fragen zurück" hält. Dies gelte vor allem, wenn sie parteipolitisch umstritten sind.

Andererseits betont Gaucks Präsidialamt aber auch, dass es "keine Vorschrift im Grundgesetz gibt, die dem Bundespräsidenten politische Stellungnahmen verbietet". Die Karlsruher Richter prüfen deshalb nun, welche Erwartungen das Grundgesetz an den Bundespräsidenten hat. Sie werden sich zunächst damit auseinandersetzen, dass die Väter und Mütter der Verfassung ein schwaches Staatsoberhaupt wollten. Der Grund dafür war die Macht früherer Präsidenten der Weimarer Republik, die etwa von Reichspräsident Paul von Hindenburg unheilvoll genutzt wurde und in die Hitler-Diktatur führte.

Neutralitätsgebot

Das Grundgesetz wollte es anders. Es macht aus dem Bundespräsidenten ein Verfassungsorgan, das Deutschland vor allem nach innen und nach außen repräsentiert. Dem Bundespräsidialamt zufolge geschieht dies, "indem der Bundespräsident durch sein Handeln und öffentliches Auftreten den Staat selbst – seine Existenz, Legitimität, Legalität und Einheit – sichtbar macht". Deshalb sei ihm in seinem Amt "parteipolitische Neutralität und Distanz zur Parteipolitik des Alltags" auferlegt.

Gut möglich, dass das Bundespräsidialamt diese Passage wird umschreiben müssen: Ihrer bereits veröffentlichten Verhandlungsgliederung zufolge wollen die Verfassungshüter die Äußerungsbefugnisse Gaucks im "Verhältnis zu öffentlichkeitsbezogenen Äußerungen der Bundesregierung" prüfen. Damit kommt etwa auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Spiel.

Im Fall der NPD-Verbotsdebatte hatte sie sich jedenfalls selten klar geäußert: Sie hoffe, die NPD werde verboten, weil sie eine Antidemokratie, fremdenfeindliche, antisemitische und verfassungsfeindliche Partei sei, hatte Merkel im vergangenen Dezember gesagt. Demgegenüber war Gauck bei seinen Äußerungen vor den Schülern sehr viel zurückhaltender: Solange die NPD nicht verboten sei, müsse man deren Ansichten "ertragen", hatte er gesagt.

 

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