Nordkirche feierlich gegründet
Ratzeburg - Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Fusion der nordelbischen (Hamburg/Schleswig-Holstein), mecklenburgischen und pommerschen Kirche als gelungenes Beispiel der deutschen Einheit. Die drei Kirchen hätten einen Einigungsprozess hinbekommen, "der sehr viel tiefer ging, menschlich anspruchsvoller und bereichernder war als ein Verwaltungsakt", sagte er nach dem Gottesdienst.
Erstmals seit der Wiedervereinigung schlossen sich Landeskirchen aus Ost- und Westdeutschland zusammen. Die neue Landeskirche reicht von Flensburg bis zur polnischen Grenze.
"Sie haben eine Vereinigung, wenn man so will, errungen - und sie können stolz darauf sein: Auf den Weg und auf das Ziel", sagte Gauck. Als früherer Mecklenburger Pastor bekannte er, selbst Abschiedsschmerz zu fühlen. Gauck rief dazu auf, sich der neuen Kirche voll zu öffnen.
Als "Jahrhundertwerk" und "Herkulesaufgabe" bezeichnete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der rheinische Präses Nikolaus Schneider, die gelungene Fusion. Er verwies auf die unterschiedlichen Traditionen, Mentalitäten und Geschichtserfahrungen.
Der mecklenburgische Bischof Andreas von Maltzahn erinnerte in seiner Predigt an die friedliche Revolution in der DDR 1989 als Verpflichtung für die Zukunft. Die Kirche müsse die Demokratie stärken und zugleich auf Gerechtigkeitslücken in der Gesellschaft hinweisen. "Wir haben damals entdeckt: "Wir sind das Volk" (...) Wir haben das bleierne Kleid der Unfreiheit abgestreift. (...) Seitdem wissen wir: Die Verhältnisse müssen nicht bleiben, wie sie sind", betonte Maltzahn. Die Kirche müsse Platzhalter solcher Hoffnung sein.
Mit fast 2,3 Millionen Christen ist die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, wie sie offiziell heißt, die fünftstärkste der verbliebenen 20 Landeskirchen in Deutschland. Sie zählen zusammen rund 24 Millionen evangelische Christen.
Der Ratzeburger Dom war mit 700 Gästen bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 3500 Menschen verfolgten Gottesdienst und Grußworte auf einer Leinwand vor dem Rathausplatz. Bei der "Ratzeburger Mahlzeit" im Palmgarten vor dem Dom am Mittag wurden am Mittag an 600 weiß gedeckten Tischen mit 5000 Plätzen Brötchen, Wurst, Käse und Erdbeeren gereicht. Auch Gauck nahm teil. An jedem Tisch saß je ein Mitglied aus einer der 1045 Gemeinden der drei früheren Landeskirchen - so sollte das Kennenlernen der Gläubigen symbolträchtig beginnen. Zu einem kirchentagsähnlichen Informations- und Unterhaltungsprogramm in der Innenstadt wurden 10 000 Besucher erwartet.
Schleswig-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sprach im Namen der Regierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein seine Anerkennung aus. Die Nordkirche sei ein zukunftsweisender und bahnbrechender Schritt. Eigene Interessen und Traditionen seien zurückgestellt worden, um den Mitgliedern der Kirchen eine neue geistliche Heimat zu geben: "Wenn sich die Menschen heute so geborgen in ihrer Kirche fühlen wie gestern, dann haben Sie alles richtig gemacht", sagte Carstensen.